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Beiträge und Entscheidungen/ Amtshaftungsrecht

Eigentümer von baumbestandenen Grundstücken haften nur unter besonderen Umständen für Rückstauschäden, die durch Wurzeleinwuchs in Abwasserkanäle entstehen (BGH, Urt. v. 24.08.2017)
 

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Eigentümer von baumbestandenen Grundstücken nur unter besonderen Umständen für Rückstauschäden haften, die durch Wurzeleinwuchs in Abwasserkanäle entstehen. 

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks, das an die städtische Schmutz- und Regenwasserkanalisation angeschlossen ist und an einen im Eigentum der beklagten Gemeinde stehenden Wendeplatz grenzt, auf dem ein Kastanienbaum angepflanzt ist. Nach der Abwasserbeseitigungssatzung der Beklagten hat sich jeder Anschlussnehmer gegen Rückstau des Abwassers aus den öffentlichen Abwasseranlagen bis zur Rückstauebene selbst zu schützen. Das Anwesen der Klägerin verfügt nicht über eine solche Rückstausicherung. Bei einem Regenereignis konnte die Regenwasserkanalisation die anfallenden Wassermassen nicht mehr ableiten, weil Wurzeln der auf dem Wendeplatz befindlichen Kastanie in den Kanal eingewachsen waren und dessen Leistungsfähigkeit stark einschränkten. Deshalb kam es zu einem Rückstau im öffentlichen Kanalsystem und auf dem Grundstück der Klägerin zum Austritt von Wasser aus einem unterhalb der Rückstauebene gelegenen Bodenlauf in den Keller.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der III. Zivilsenat hat entschieden, dass Verkehrssicherungspflichten des Eigentümers eines baumbestandenen Grundstücks wegen der Verwurzelung eines Abwassersystems zwar nicht von vornherein ausgeschlossen sind, jedoch nur unter besonderen Umständen in Betracht kommen.

Es hänge von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, ob und in welchem Umfang bzw. mit welcher Kontrolldichte ein Grundstückseigentümer im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht für einen auf seinem Grundstück stehenden Baum Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen auch in Bezug auf die mögliche Verwurzelung eines Abwasserkanals durchführen müsse. Dabei seien zunächst die räumliche Nähe des Baums und seiner Wurzeln zu dem Abwassersystem sowie Art bzw. Gattung, Alter und Wurzelsystem (Flachwurzler, Herzwurzler, Tiefwurzler) des Baums zu berücksichtigen. Welcher Art die Kontrollpflichten sind, hänge auch von der Zumutbarkeit für den Grundstückseigentümer im Einzelfall ab. Dabei muss der Eigentümer regelmäßig nicht den Kanal selbst überprüfen, zu dem er zumeist keinen Zugang hat.

Eine Haftung wegen einer möglichen Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten werde jedoch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die von der Klägerin gegen einen möglichen Rückstau zu treffenden Vorkehrungen unzureichend waren. Die aus der Satzung folgende Obliegenheit von Grundstückseigentümern, selbst für eine Sicherung gegen Rückstauschäden zu sorgen, gelte nur im Verhältnis zum Kanalbetreiber. Die beklagte Stadt haftet im Streitfall jedoch nicht in dieser Funktion, sondern als Eigentümerin des Baumgrundstücks. Es kam daher nur eine Kürzung des etwaigen Schadensersatzanspruchs wegen Mitverschuldens der Klägerin gemäß § 254 Abs. 1 BGB in Betracht.

 

Ansprechpartner: Eva-Maria Rönsberg, Fachanwältin für Verwaltungsrecht

Fundstelle: BGH, Urt. v. 24.08.2017 – III ZR 574/16