Menu

Beiträge und Entscheidungen/ Amtshaftungsrecht

Gemeinden haften bei rechtswidriger Verweigerung des Einvernehmens nicht (BGH, Urteil vom 16.09.2010)

Die Gemeinde haftet auch bei rechtswidriger Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens nicht, wenn die Baugenehmigungsbehörde nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB i.V.m. landesrechtlichen Vorschriften das verweigerte Einvernehmen ersetzen kann.


Ansprechpartner: Eva-Maria Rönsberg, Fachanwältin für Verwaltungsrecht

Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 36 BauGB in der bis zum Inkrafttreten des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 geltenden Fassung kam eine Amtspflichtverletzung der das Einvernehmen versagenden Gemeinde stets in Betracht, wenn die rechtswidrige Einvernehmensversagung Bindungswirkung für die Baugenehmigungsbehörde hatte.
Nunmehr hatte der BGH erstmals die Möglichkeit darüber zu entscheiden, ob sich die haftungsrechtliche Situation aufgrund der durch das Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 eingeräumte Ersetzungsbefungnis der Bauaufsichtsbehörde verändert hat.
Der III. Zivilsenat geht zutreffend davon aus, dass soweit der Baugenehmigungsbehörde die Befugnis eingeräumt ist, das versagte gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen, der maßgebliche Grund für die Annahme einer drittgerichteten Amtspflicht seitens der Gemeinde bei der Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens entfallen ist. Denn durch die Ersetzungsbefugnis wird die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der Bauaufsichtsbehörde erweitert und die Bindungswirkung der negativen Entscheidung der Gemeinde für die Baugenehmigungsbehörde ist aufgehoben.
Ein Bedürfnis dafür, die der Gemeinde obliegenden Amtspflichten trotz fehlender Bindungswirkung gleichwohl als drittgerichtet anzusehen, lasse sich nach Ansicht des BGH auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB als Kann-Vorschriften ausgestaltet ist. Vielmehr handelt es sich bei § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB um eine bloße Befugnisnormen, bei der auf der Rechtsfolgenseite kein Ermessen eingeräumt, sondern stets eine gebundene Entscheidung zu treffen ist. Denn der Bauwillige, dessen Vorhaben mit den materiell-rechtlichen Vorschriften in Einklang steht, habe einen durch Art. 14 GG geschützten Anspruch gegenüber der Baugenehmigungsbehörde auf Erteilung der Baugenehmigung.
Aufgrund der Rechtsentwicklung des Bau- und Raumordnungsgesetzes greift die Gemeinde also nicht mehr direkt in den Rechtskreis des Bauwilligen ein, wenn sie das Einvernehmen verweigert. Eine Haftung der Kommunen aufgrund der bloßen Einvernehmensversagung entfällt.
Die Entscheidung des BGH liegt auf der Linie des aktuellen Aufsatzes von RAin Zeiser (Rönsberg) in den BayVBl. 2010, S. 613 ff.
Zur haftungsrechtlichen Situation nach der Neugestaltung des Art. 67 BayBO siehe auch den Eintrag "Neugestaltung des Art. 67 BayBO ändert nichts an der haftungsrechtlichen Alleinverantwortlichkeit der Baugenehmigungsbehörde".


Fundstelle:

BGH, Urteil vom 16. September 2010 - III ZR 29/10