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Beiträge und Entscheidungen/ Amtshaftungsrecht

Keine Entschädigung bei Nichtumsetzung eines Bebauungsplans (BVerfG, Beschluss vom 15.09.2011)

Das in den §§ 39 ff. BauGB geregelte Planungsschadensrecht bestimmt, ob und auf welche Weise Vermögensnachteile, die einem Grundstückseigentümer an seinem Grundstück durch Festsetzungen in einem Bebauungsplan entstehen, auszugleichen sind. Danach kann der Eigentümer, dessen Grundstück infolge einer durch Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsänderung eine Wertminderung erfährt, grundsätzlich eine Geldentschädigung verlangen (§ 42 BauGB). Bei bestimmten gemeinnützigen Festsetzungen kann der Eigentümer von der planenden Gemeinde jedoch die Geldentschädigung nur gegen Übergabe des Grundstücks an die Gemeinde verlangen (§§ 43 Abs. 3, 40 BauGB). Die mit Beschluss vom 15.09.2011 entschiedene Verfassungsbeschwerde betraf die Frage, ob dem Eigentümer für die Zeit bis zur Umsetzung der durch Bebauungsplan festgesetzten Planung bzw. der Übernahme des Grundstücks durch die Gemeinde zusätzlich eine Entschädigung wegen Wertminderung nach § 42 BauGB zusteht.


Ansprechpartner: Eva-Maria Rönsberg, Fachanwältin für Verwaltungsrecht

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beschwerdeführer sind Eigentümer von Grundstücken, auf denen sich eine privat genutzte Parkanlage mit einer zu privaten Wohnzwecken genutzten Villa befindet. Die Grundstücke waren im Bebauungsplan als Wohngebiet ausgewiesen. Nachdem die Beschwerdeführer gegenüber der Beschwerdegegnerin (Stadt) ihre Bauabsicht für drei Baukörper mit insgesamt 51 Wohneinheiten bekannt gaben, wies die Stadt durch Aufstellung eines neuen Bebauungsplans auf den beiden Grundstücken eine öffentliche Grünfläche (Parkanlage) und eine Fläche für den Gemeinbedarf (Kindergarten) aus. Da die Beschwerdeführer aufgrund des Bebauungsplans ihre Bauabsichten nicht mehr umsetzen konnten, verlangten sie von der Stadt eine Geldentschädigung.
Das mit dieser Frage befasste Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof wiesen den Entschädigungsantrag der Beschwerdeführer mit der Begründung zurück, dass aufgrund der gemeinnützigen Festsetzungen nach der Regelung des § 43 Abs. 3 BauGB nur eine Entschädigung in Form eines Übernahmeanspruchs in Betracht komme. Die Beschwerdeführer sahen sich durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Grundrecht auf Eigentum verletzt, da sie durch die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung des § 43 Abs. 3 BauGB gezwungen würden, entweder ihr Grundeigentum aufzugeben, um eine Entschädigung für den Entzug der Baumöglichkeit zu erhalten, oder die ihnen „faktisch auferlegte Veränderungssperre“ auf ungewisse Dauer - nämlich bis zur Verwirklichung der gemeinnützigen Planung - entschädigungslos hinzunehmen.
Das Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Anwendung und Auslegung der einschlägigen planungsschadensrechtlichen Vorschriften durch die Fachgerichte keine Verletzung von Verfassungsrecht erkennen lasse. Zum einen würde eine dahingehende Auslegung des § 43 Abs. 3 BauGB, dass den Beschwerdeführern zudem eine Geldentschädigung nach § 42 BauGB zuzuerkennen wäre, die Grenzen der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung überschreiten. Zum anderen lasse sich auch nicht feststellen, dass die Bestimmung des § 43 Abs. 3 BauGB gegen die in Art. 14 GG verankerte Eigentumsgarantie verstoße. Denn sollte die Gemeinde ihre planerischen Vorgaben (hier: gemeinnützige Parkanlage und Grünfläche) nicht innerhalb einer angemessenen Frist umsetzen, ist für die Beschwerdeführer grundsätzlich der Weg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Beschwerdeführer haben können dann vor den Verwaltungsgerichte prüfen zu lassen, ob der Bebauungsplan aufgrund der Nichtumsetzung funktionslos geworden ist. Falls dies nicht der Fall sein sollte, könnten die Beschwerdeführer durch die Verwaltungsgerichte klären lassen, ob die beanstandeten Festsetzungen die Eigentumsbefugnisse der Beschwerdeführer aufgrund des Zeitablaufs unverhältnismäßig einschränken. Sollte dies der Fall sein, kann der Verstoß gegen die Eigentumsgarantie nicht durch eine im Gesetz nicht vorgesehene Entschädigungsleistung kompensiert werden. Es habe vielmehr bei dem Rechtsfolgenausspruch des Verwaltungsgerichts für den festgestellten Verfassungsverstoß zu verbleiben.


Fundstelle:

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15.09.2011 - 1 BvR 2232/10 = NVwZ 2012, 429