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Beiträge und Entscheidungen/ Amtshaftungsrecht

Zur Normverwerfungskompetenz der Baugenehmigungsbehörde und Außenwirkung der Einvernehmensversagung (OLG München, Urteil vom 22.12.2011)

Das Oberlandesgericht München hat in einem aktuellen Urteil vom 22.12.2011 entschieden, dass die Versagung des Einvernehmens einer Gemeinde auch dann keine Außenwirkung hat, wenn die Versagung auf einem rechtswidrigen Bebauungsplan beruht.

Ansprechpartner: Dr. Georg Krafft, PartnerEva-Maria Rönsberg, Fachanwältin für Verwaltungsrecht

Dem vom Oberlandesgericht München entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin beantragte die Erteilung von mehreren Vorbescheiden für eine bestimmte bauliche Nutzung ihrer Grundstücke. Da der von der Klägerin geplanten baulichen Nutzung aber der einfache Bebauungsplan der beklagten Gemeinde entgegen stand, versagte die Gemeinde das Einvernehmen. Die Baugenehmigungsbehörde erkannte zwar die ihr eingeräumte gesetzliche Befugnis zur Ersetzung des versagten Einvernehmens, lehnte die Erteilung der Vorbescheide unter Verweis auf den einfachen Bebauungsplan jedoch ebenfalls ab. Im Rahmen eines von der Klägerin gegen die Versagung der Vorbescheide angestrengten Verwaltungsgerichtsverfahrens wurde in der zweiten Instanz erstmals inzident die Rechtswidrigkeit des einfachen Bebauungsplans festgestellt. Nachdem die Gemeinde aber während des laufenden Verwaltungsgerichtsverfahrens den rechtswidrigen einfachen Bebauungsplans aufgehoben und durch einen rechtmäßigen qualifizierten Bebauungsplan ersetzt hatte, der dem geplanten Vorhaben jedoch ebenfalls entgegenstand, konnte die Baugenehmigungsbehörde den begehrten Vorbescheid nicht mehr erteilen. Die Klägerin begehrt nun von der Gemeinde den Ersatz der ihr durch die Versagung der Bauvorbescheide entstandenen Schäden.
Das Oberlandesgericht München hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass einer Haftung der beklagten Gemeinde nach Amtshaftungsgrundsätzen bzw. aus enteignungsgleichem Eingriff das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.09.2010 (Az.: III ZR 29/10 - vgl. diedazugehörigen Artikel in diesem Rechtsforum) entgegenstehe. Denn die Entscheidung des BGH habe klargestellt, dass der Einvernehmensversagung wegen der landesrechtlich vorgesehenen Ersetzungsbefugnis seit dem Inkrafttreten des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 generell keine Außenwirkung zukommt.
Daran soll laut Oberlandesgericht München auch eine möglicherweise im Einzelfall fehlende Ersetzungsbefugnis wegen fehlender Normverwerfungskompetenz der Baugenehmigungsbehörde nichts ändern, wobei der Senat im hier entschiedenen Fall eine inzidente Normverwerfungskompetenz der Baugenehmigungsbehörde angenommen hat, sobald die Baugenehmigungsbehörde erkennen konnte, dass der Bebauungsplan, auf den die Versagung gestützt worden war, rechtswidrig ist. Die Baugenehmigungsbehörde hätte also den beantragten Vorbescheid unter inzidenter Verwerfung des Bebauungsplans schon im Baugenehmigungsverfahren erteilen müssen. Unterstellt, die Baugenehmigungsbehörde habe aber keine Normverwerfungskompetenz gehabt, würde die beklagte Kommune gleichwohl nicht haften. Sie sei bis zur Aufhebung der Satzung ebenfalls an den rechtswidrigen Bebauungsplan gebunden und müsse deshalb das Einvernehmen versagen. Eine diesbezügliche Amtspflichtverletzung sei daher nicht erkennbar.
Das Oberlandesgericht München hat aber die Revision gegen das hier besprochene Urteil zugelassen, da die Fragestellung, ob der Baugenehmigungsbehörde tatsächlich eine inzidente Normverwerfungskompetenz zustehe, noch nicht höchstrichterlich geklärt sei. Ebenfalls sei nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.09.2010 offen, ob sich die Einstufung der Versagung des gemeindlichen Einvernehmens als lediglich behördeninterner Vorgang auf Grund einer abstrakten oder einer konkreten Betrachtungsweise bemisst.

Vertreter der Gemeinde: RA Dr. Georg Krafft / RAin Rönsberg


Fundstelle:

Oberlandesgericht München, Urteil vom 22.12.2011, Az.: 1 U 758/11

(nicht rechtskräftig)