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Beiträge und Entscheidungen/ Amtshaftungsrecht

Ausstattung der Fenster in einer geschlossenen Psychiatrie (BGH v. 31.10.2013)

Der Träger einer Städtischen Klinik ist nicht verpflichtet, sämtliche Fenster einer geschlossenen psychiatrischen Station so auszustatten, dass sie nicht so – auch unter Krafteinsatz - geöffnet werden können, dass ein Patient hinausspringen kann.


Ansprechpartner: Nicole Tassarek-Schröder

Der Kläger, ein unter einer schizophrenen Psychose leidender Patient der Beklagten, der aufgrund eines Beschlusses des Vormundschaftsgerichts in der geschlossenen psychiatrischen Station des Klinikums untergebracht war, öffnete unter gewaltsamer Beschädigung des Fensterrahmens das Fenster in seinem Patientenzimmer, sprang in suizidaler Absicht aus dem vierten Stock in die Tiefe und zog sich dabei schwerste Verletzungen zu.

Der BGH lehnte eine Haftung der Beklagten aus folgenden Gründen ab: Die Pflicht, die aufgenommenen Patienten vor Selbstschädigung zu bewahren, besteht grundsätzlich nur im Rahmen des Erforderlichen und Zumutbaren. Ein Suizid während eines Aufenthalts in einem psychiatrischen Kranken kann niemals mit absoluter Sicherheit vermieden werden. Eine lückenlose Sicherung ist nicht denkbar. Zudem sind stets die Erfordernisse der Medizin zu beachten, die nach moderner Auffassung gerade bei psychisch Kranken eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Patient und Krankenhauspersonal angezeigt erscheinen lassen. Das Sicherheitsgebot ist grundsätzlich abzuwägen gegen Gesichtspunkte der Therapiegefährdung durch allzu strikte Verwahrung.

Vor diesem Hintergrund bestand keine Verpflichtung der Beklagten, sämtliche Fenster der geschlossenen Station so auszustatten, dass diese nicht geöffnet werden können. Dies wäre nur dann erforderlich, wenn nicht durch andere Maßnahmen verhindert werden kann, dass suizidgefährdete Patienten in die betreffenden Zimmer gelangen.

Da bei dem Kläger keine konkreten Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung vorlagen, der Suizidversuch also nicht vorhersehbar war, bestand für die Beklagte kein Anlass dafür Sorge zu tragen, dass sich der Kläger ausschließlich in Räumen aufhalten konnte, deren Fenster überhaupt nicht zu öffnen waren.

Im Übrigen ergibt sich eine Pflichtverletzung der Beklagten auch nicht daraus, dass Sicherheitsstandards in Bezug auf die Fenster nicht beachtet worden wären. Solche Standards oder Richtlinien für Fenster in geschlossenen psychiatrischen Kliniken existieren nicht.


Fundstelle: BGH v. 31.10.2013 – III ZR 388/12=NJW 2014, 539 ff.