Beiträge und Entscheidungen/ Amtshaftungsrecht
Räum- und Streupflicht auf selten begangenen, erkennbar unzureichend abgesicherten Zuwegen (OLG Naumburg, Urteil v. 11.05.2012 - 10 U 44/11).Auf einem selten begangenen Zugangsweg muss der Räum- und Streupflichtige keinen "optimalen Zustand" herstellen. Einen dort gehenden Passanten trifft ein haftungsausschließendes Mitverschulden, wenn er den (schlechten) Zustand des Wegs erkennen konnte.
Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner
Der Verkehrssicherungspflichtige
hat nicht den optimalen Zustand eines Weges herzustellen, vielmehr muss der
Benutzer grundsätzlich die Verkehrsfläche so hinnehmen, wie sie sich ihm
erkennbar darbietet und sein Verhalten den gegebenen Verhältnissen anpassen
(ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH Beschluss vom 27.1.2005, VersR 2005, 660
f.; OLG München Beschluss vom 9.2.2009, VersR 2011, 684). Bezogen auf die
Abstumpfung von Wegen bei Eisglätte sind insbesondere die Verkehrsbedeutung des
Weges und der Umfang dessen üblicher Benutzung zu berücksichtigen, es sind nur
diejenigen Gefahren auszuschließen, die ein sorgfältiger Benutzer nicht oder
nicht rechtzeitig erkennen kann. Das bedeutet, dass auf Bürgersteigen, in
Fußgängerzonen und auf belebten Fußgängerüberwegen in der Regel etwa in einer
Breite von 1,20 bis 1,30 Metern bzw. 1,50 Metern gestreut werden muss, auf der
Fußgänger vorsichtig aneinander vorbeikommen. Auf einem nur wenige Male am Tag
benutzten Zugangsweg zu einer Wohnung auf einem Privatgrundstück ist sogar nur
eine Durchgangsbreite erforderlich, die für die Begehung durch eine Person
ausreicht (OLG Brandenburg, a.a.O.). Unter Anwendung dieser Maßstäbe traf die
Beklagte nur die Pflicht, den Hauszugang in einer in einer Durchgangsbreite für
einen Fußgänger mit abstumpfenden Mitteln zu bestreuen. Zu berücksichtigen ist
weiterhin, dass lediglich Besucherverkehr für die Beklagte selbst, mithin
Personen, die sie und ihr Alter kannten, zu erwarten waren. Es ist nicht
ersichtlich, dass von der Beklagten überdurchschnittliche Leistungen im Rahmen
ihrer Streupflicht hätten erbracht werden können.
Zudem stellt das LG zu Recht
fest, dass den Kläger einhaftungsausschließendes Mitverschuldenan der
Entstehung des Schadens trifft, § 254 Abs. 1 BGB. Bei
Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht kommt
ein Mitverschulden immer dann in Betracht, wenn ein sorgfältiger Mensch
Anhaltspunkte für eine Verkehrssicherungspflichtverletzung hätte rechtzeitig erkennen
können und er die Möglichkeit besaß, sich auf die Gefahr einzustellen (Oetker
in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 254 Rz. 46.). Dies war hier der Fall: Die private
Zuwegung war im Unfallzeitpunkt ... augenscheinlich nicht bzw. unzureichend gestreut bzw. abgesichert.
Diese von ihm selbst erkannte Gefahrenlage hätte jedoch für den Kläger Veranlassung
zu besonderer Vorsicht sein müssen. Dies gilt umso mehr, als er selbst
ausgesagt hat, er vermute, seine Mutter streue vormittags und nur einmal am Tag
und zudem nach seinem Bekunden Tauwetter geherrscht hat, so dass mit am Boden
überfrierender Nässe zu rechnen war.
Der Kläger hätte auch durch eine den winterlichen Verhältnissen angepasste Gehweise
(insbesondere kleine Schritte sowie langsames und vorsichtiges Gehen), ggf.
eigene Maßnahmen zur Abstumpfung oder auch ein Verschieben des Besuches den
winterlichen Verhältnissen Rechnung tragen können, nachdem er erkannt hatte,
dass Neuschnee die Sicht auf den genauen Zustand des Weges verwehrte.
Fundstelle: VersR 2013, 66 ff.; MDR 2013, 34 ff.