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Beiträge und Entscheidungen/ Amtshaftungsrecht

Verkehrssicherungs- bzw. Kontrollpflicht der Gemeinden für innerörtliche Straßen (OLG Saarbrücken v. 18.05.2017)

Bei innerörtlichen Straßen genügt die Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht in der Regel, wenn sie eine monatliche Kontrolle der Fahrbahnoberfläche in solcher Art und Weise durchführt, dass der betreffende Gemeindebedienstete geeignete Möglichkeiten hat, Anhaltspunkte für Schäden zu erkennen. Steht jedoch fest, dass der verkehrswidrige Zustand einer Straße bereits so lange angedauert hat, dass in dieser Zeit Kontrollen hätten stattfinden müssen, ist zu Gunsten des Geschädigten zu vermuten, dass der Gefahrenzustand bei sorgfältigen Kontrollen hätte erkannt werden müssen.

Sachverhalt:

Die Klägerin nahm die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch, weil sich beim Befahren einer Gemeindestraße ein Teerbrocken gelöst hatte, gegen ihr Fahrzeug geschleudert worden war und dort einen Schaden verursacht hatte. An der streitgegenständlichen Stelle hatte sich bereits zwei Monate zuvor ein ähnlicher Vorfall ereignet, der der Beklagten Gemeinde auch gemeldet worden war.

Entscheidungsgründe:

Das OLG Saarbrücken sprach der Klägerin ihren Anspruch weitgehend zu. Zur Begründung führte es (unter Bezugnahme auf Tassarek-Schröder/Rönsberg in Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht 5. Aufl. Kap. I Rn. 594) aus, dasses in der Regel zwar ausreiche, die Fahrbahnoberfläche einer monatlichen Kontrolle zu unterziehen. Die Kontrollen müssten jedenfalls in einer solchen Art und Weise durchgeführt werden, dass der betreffende Gemeindebedienstete geeignete Möglichkeiten hat, Anhaltspunkte für Schäden zu erkennen. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Kontrollpflicht gehöre deren Organisation. Es müsse also in einer Dienstanweisung oder in einem Überwachungsplan festgelegt werden, welche Straßen und Wege in welchen Abständen durch welches Personal kontrolliert werden. Aus Beweisgründen sollte über durchgeführte Überwachungsmaßnahmen Buch geführt und die Beseitigung beanstandeter Mängel dokumentiert werden. Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und insbesondere den Umstand, dass keine ausreichenden Kontrollen stattgefunden haben, müsse der Geschädigte beweisen. Allerdings komme ihm der Beweis des ersten Anscheins hinsichtlich des Verschuldens zu Gute, wenn feststeht, dass der verkehrswidrige Zustand bereits so lange angedauert hat, dass in dieser Zeit Kontrollen hätten stattfinden müssen. In diesem Fall werde vermutet, dass der Gefahrenzustand bei sorgfältigen Kontrollen hätte erkannt werden müssen. Wenn die Kommune nicht durch Vorlage eines unterschriebenen Kontrollbuchs den Gegenbeweis führen kann, doch innerhalb des Zeitraums Kontrollen durchgeführt zu haben, müsse sie zumindest Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich ergebe, dass die Gefahrenstelle auch bei sorgfältigen Überprüfungen nicht hätte erkannt werden können.

In dem zu entscheidenden Fall waren die Kontrollen schon nicht dokumentiert worden. Darüber hinaus stand fest, dass nach der Meldung des ersten Schadensfalles keine weitere Kontrolle der Fahrbahn erfolgt war.Spätestens seit dem ersten Unfall stelle jedoch der in Teilbereichen mangelhafte Verbund der Asphaltdecke einen objektiv verkehrswidrigen Zustand im Sinne einer abhilfebedürftigen Gefahrenquelle dar. Es hätten deshalb - auch wenn eine sofortige Sanierung nicht möglich gewesen sei - geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verkehrs auf der Straße wie das Aufstellen von Warnschildern, eine Sperrung für den Schwerlastverkehr oder eine Herabsetzung der zulässigen Geschwindigkeit geprüft werden müssen.

Ansprechpartner: Nicole Tassarek-Schröder

Fundstelle: OLG Saarbrücken v. 18.05.2017 - 4 U 14616 = BeckRS 2017, 114252