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Beiträge und Entscheidungen/ Amtshaftungsrecht

Drittwirkung von BSE-Testpflichten (BGH v. 08.11.2012)

Amtshaftungsansprüche nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG setzen stets die Verletzung einer gerade einem Dritten gegenüber bestehenden Amtspflicht voraus. Nur die Verletzung solcher Pflichten, die dem Beamten nicht nur seinem Dienstherrn, sondern einem Dritten gegenüber obliegen, begründen eine Ersatzpflicht. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass die den Veterinärbehörden im Zusammenhang mit der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von BSE-Tests an Rindern in einem Schlachthof obliegenden Amtspflichten keine drittgerichtete Schutzwirkung zu Gunsten der Unternehmen, die vom Schlachthof Schlachtprodukte erwerben und diese weiter veräußern oder verarbeiten, entfalten.

Ansprechpartner: Eva-Maria Rönsberg, Fachanwältin für Verwaltungsrecht

Ausgangspunkt der Entscheidung des BGH ist, dass im Mittelpunkt der BSE-Untersuchungsverordnung und den entsprechenden Vorschriften des Fleischhygienegesetzes allein die Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit bzw. der Schutz der Verbraucher steht. Die einschlägigen Gesetze schützen hingegen nicht die individuellen Vermögensinteressen der in der Abnehmer- und Verarbeitungskette stehenden Unternehmen am Absatz von Tierprodukten zum Zwecke der Gewinnerzielung.

Zwar hat der BGH bereits - in zwei unseres Erachtens schon sehr weitreichenden Entscheidungen - festgelegt, dass die bei der Durchführung einer BSE-Untersuchung an einem testpflichtigen Rind bestehenden Amtspflichten im Verhältnis zum betroffenen Schlachtbetrieb drittbezogen sind (Urteil vom 02.02.2006 - III ZR 131/05 = NVwZ 2006, 966; Beschluss vom 15.02.2007 - III ZR 137/06 = NVwZ-RR 2007, 368). Insoweit muss der Veterinär bzw. etwaige mit der Laboruntersuchung beauftragte Verwaltungshelfer bei ihrer Tätigkeit auch auf die Interessen des Schlachthofs in individualisierter und qualifizierter Weise Rücksicht nehmen.
Dies lässt sich aber nicht auf den der Entscheidung vom 08.11.2012 zugrunde liegenden Fall übertragen. Denn hier ging es nicht darum, dass ein Schlachthofbetreiber durch Fehler der zuständigen Behörden oder ihrer Verwaltungshelfer unmittelbar an der gewinnbringenden Verwertung seines Eigentums gehindert wurde. Vielmehr stand das hier klagende Unternehmen in der weiteren Abnehmer- und Verarbeitungskette. 

Allein der Umstand, dass jemand durch eine Amtspflichtverletzung kausal geschädigt wird, genügt aber nicht, um ihn als Dritten anzusehen. Insbesondere bei denjenigen, die in ihren eigenen Interessen erst als Folge ihrer schuldrechtlichen Beziehungen zu den unmittelbar von der Ausübung der Amtspflicht betroffenen Personen und Unternehmen (hier: Schlachthof) berührt werden, hat der BGH zutreffend regelmäßig keine Drittwirkung zuerkannt. Ansonsten hätte es der geschützte Dritte in der Hand, durch den Abschluss von Verträgen den Schutzbereich der ihm gegenüber obliegenden Amtspflichten auch auf den Vertragspartner zu erstrecken. 
Die Entscheidung des BGH ist unseres Erachtens sachgerecht: Würde man auch die Unternehmen in der weiteren Abnehmer- und Verarbeitungskette in den Schutzbereich der Amtspflichten einbeziehen, wären die potenziellen Schäden und die damit verbundenen Haftungsrisiken kaum absehbar, da die Verarbeitung selbst geringer Mengen von verkehrsunfähigen Fleischbestandteilen dazu führen würde, dass große Mengen der mit Hilfe dieser Stoffe hergestellten End- oder Fertigprodukte unbrauchbar werden. 

Auch der Umstand, dass Händler oder weiterverarbeitende Betriebe beim Erwerb von Tierprodukten auf die Einhaltung der BSE-Untersuchungsverordnung bei der Schlachtung vertraut haben, kann an dieser Wertungsentscheidung nichts ändern. Zwar hat die Prüfungen des Veterinärs für diejenigen, die mit den Tierprodukten als Händler oder weiterverarbeitender Betrieb in Berührung kommen, sicherlich die erfreuliche Nebenwirkung, dass die Unternehmen nur BSE-freie Produkte vermarkten und deshalb der Gefahr enthoben sind, wegen des Inverkehrbringens von genussuntauglichen Produkten von den Konsumenten oder Vertragspartnern belangt zu werden. Dies ist jedoch nur eine reflexhaften Wirkung der Prüfpflichten, die allein den Zweck der Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit bzw. der Schutz der Verbraucher haben. 

Zudem ist das vom BGH in der Entscheidung vom 08.11.2012 gefundene Ergebnis auch sachgerecht. Denn die Unternehmen in der weiteren Abnehmer- und Verarbeitungskette können grundsätzlich kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche gegen den jeweiligen Vorlieferanten geltend machen. Soweit diese Ansprüche den Schaden nicht abdeckt, muss von den Unternehmen versucht werden, zukünftig vertraglich eine ausreichende Absicherung gegen eine fehlende Verkehrsfähigkeit der erworbenen Tierprodukte zu erreichen. Etwaige Schwierigkeiten dabei rechtfertigen es aber auch nach Ansicht des BGH nicht, die hier im Streit stehenden Amtspflichten generell als drittgerichtet einzustufen.


Fundstelle: BGH, Urteil vom 08.11.2012 - III ZR 151/12