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Beiträge und Entscheidungen/ Amtshaftungsrecht

Haftungsmaßstab im Falle der Gefahrenabwehr (BGH, Urt. v. 14.06.2018)

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 14.06.2018 den Haftungsmaßstab geklärt, der bei einem Feuerwehreinsatz gilt.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sich ein Handelsunternehmen befand. Auf dem Grundstück brach ein Feuer aus, das auf das Lager- und das Verwaltungsgebäude des Handelsunternehmens übergriff. Die Einsatzkräfte stellten fest, dass der Brand der Lagerhalle nicht mehr zu löschen war. Sie bemühten sich, das Ausbreiten des Feuers auf eine benachbarte Lagerhalle zu vermeiden. Zu diesem Zweck setzte die Feuerwehr zwischen der brennenden Halle der Klägerin und dem benachbarten Lagergebäude ein perfluoroctansulfathaltiges Schaummittel ein. Die Schaumbestandteile gelangten in das Erdreich und das Grundwasser.

Die beklagte Stadt gab der Klägerin auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes sowie des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes umfangreiche Maßnahmen zur Sanierung ihres Grundstücks auf. Die Klägerin verlangt von der beklagten Stadt u.a. die Erstattung der bislang angefallenen und die Freistellung von künftigen Kosten für die Sanierung ihres Grundstücks infolge des Einsatzes des fluorhaltigen Schaums sowie den Ersatz des Wertverlustes, den ihr Grundstück trotz durchgeführter Sanierung erlitten habe.

 

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der III. Zivilsenat hat die Revision der beklagten Stadt zurückgewiesen. Die Vorinstanz habe rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Entscheidung des Einsatzleiters der Feuerwehr, den perfluoroctansulfathaltigen Schaum zu verwenden, um einen Übergriff des Feuers auf die benachbarte Lagerhalle zu verhindern, ermessensfehlerhaft und damit amtspflichtwidrig war und der Einsatzleiter dabei auch (einfach) fahrlässig handelte.

Ihm - und der Beklagten - komme nicht das Haftungsprivileg im Sinne von § 680 BGB zugute. Im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs gemäß § 839 Absatz 1 BGB begründet grundsätzlich jeglicher Grad von Fahrlässigkeit die Haftung wegen einer Amtspflichtverletzung. Dies gilt auch für die im Rahmen eines Noteinsatzes erfolgende öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr.

Der Bundesgerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass es einer Absenkung des Haftungsmaßstabes auch in solchen Fällen nicht bedürfe. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof angeführt, dass Amtsträger, zu deren Pflicht die "berufsmäßige" Abwehr einer dringenden Gefahr gehört,  typischerweise auf die hiermit verbundenen Noteinsätze vorbereitet seien. Das Risiko eines Fehlverhaltens solcher professionellen Nothelfer sei aufgrund ihrer Berufserfahrung und ihrer Ausbildung deutlich geringer als bei zufällig hinzutretenden Personen.

Die für die Amtspflichtverletzungen ihrer Amtsträger gemäß Art. 34 S. 1 GG haftenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften seien zudem gegen die mit Feuerwehreinsätzen verbundenen finanziellen Risiken und Kosten besser abgesichert als der private Nothelfer. Würde dagegen für die gesamte öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr, soweit sie Notsituationen betrifft, ein reduzierter Haftungsmaßstab gelten, wären bedeutende Bereiche staatlicher Tätigkeit von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgenommen. Eine derartige Haftungsprivilegierung sei mit den Grundsätzen der Amtshaftung weder vereinbar noch sei sie erforderlich. Denn der besonderen Situation eines Noteinsatzes könne auch im Rahmen der Prüfung des Vorwurfes der einfachen Fahrlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden.


Ansprechpartner: Eva-Maria Rönsberg, Fachanwältin für Verwaltungsrecht

Fundstelle: BGH, Urteil vom 14.06.2018 - III ZR 54/17