Menu

Beiträge und Entscheidungen/ Amtshaftungsrecht

LG Passau: Amtshaftungsansprüche privater Wettanbieter bzw. -vermittler gegen Kommunen wegen der Schließung von Wettbüros bestehen auch unter Berücksichtigung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom September 2010 nicht.

Das Landgericht Passau hat in seinem Urteil vom 04.11.2010 (Az. 1 O 1118/09) Ansprüche von gewerblichen Wettvermittlern auf Schadensersatz aus dem europarechtlichen bzw. nationalen Staatshaftungsanspruch gegen eine Kommune trotz der erst kürzlich ergangenen Entscheidungen des EuGH vom 08.09.2010 (vgl. RS C-46/08, C-316/07, C-358/07, C-360/07, C-409/07, C-410/07 und C-109/06) verneint. Die Entscheidung des Landgerichts Passau liegt auf der Linie der Rechtsprechung der Münchner Gerichte zur Problematik des Sportwettenmonopols (vgl.Entscheidungen des OLG Münchenim Rechtsforum). Das Oberlandesgericht München hat in seiner Entscheidung vom 15.07.2011 das landgerichtliche Urteil bestätigt, aber Revision zum BGH zugelassen(vgl. Beitrag im Rechtsforum).


Ansprechpartner: Dr. Georg Krafft, Partner

Die Entscheidung des Landgerichts Passau zum staatlichen Wettponopol ist in vielerlei Hinsicht wegweisend. Sie betrifft eine Untersagungsverfügung aus dem Jahr 2005 unter der Geltung des Lotteriestaatsvertrags und ist eines der ersten Urteile der Zivilgerichte, die sich mit der Beurteilung von europarechtlichen Staatshaftungsansprüchen von Wettvermittlern nach den Entscheidungen des EuGH beschäftigen, in denen der EuGH im Wesentlichen zugunsten der Wettvermittler entschieden hat. Das Landgericht Passau stellt zunächst fest, dass die Untersagungsverfügung der Kommune gemeinschaftsrechtswidrig war, da die sog. Inkohärenz, die letztlich zur Rechtswidrigkeit des staatlichen Glückspielmonopols führt, „zumindest bis zum 01.01.2008“ bestand. Der Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit der Wettvermittler sei auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Kommune keine Normverwerfungskompetenz hinsichtlich der nationalen (sicherheitsrechtlichen) Bestimmungen zustand. Vielmehr müsse sich die Kommune eigenständig über nationales Gesetzesrecht hinwegsetzen, es also unangewendet lassen, wenn es gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstößt.
Aus der bloßen Rechtswidrigkeit folge - so das Landgericht weiter - jedoch nicht automatisch ein europarechtlicher Staatshaftungsanspruch. Denn bis zu den Entscheidungen des EuGH vom 08.09.2010 fehle es an einem offenkundigen Verstoß gegen Europarecht. Im Vorfeld dieser Entscheidungen habe keine gesicherte Rechtsprechung existiert, aufgrund derer die Kommunen von der Unanwendbarkeit nationalen Gesetzesrechts ausgehen mussten.
Der Entscheidung des Landgerichts Passau ist grundsätzlich zuzustimmen. Interessant ist, dass das Landgericht Passau Kriterien vorgibt, ab wann die Kommunen von einem Anwendungsvorrang des Europarechts auszugehen haben. In diesem Zusammenhang statuiert das Landgericht Passau eine Art „Rechtsprechungsbeobachtungspflicht“, wobei diese sich in erster Linie auf die Rechtsprechung der europäischen Gerichte bezieht, da nur diese über die Vereinbarkeit einer staatlichen Maßnahme mit Gemeinschaftsrecht entscheiden können. Für die Kommunen erweitert sich damit der Pflichtenkreis um die europarechtliche Ebene, was aber wegen des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung letztlich nichts Neues ist. Klar definiert ist jedoch nunmehr die daraus folgende Handlungspflicht, um europarechtliche Staatshaftungsansprüche auf Schadensersatz gegen die Kommunen zu vermeiden: nämlich die Pflicht bzw. Berechtigung nationales Gesetzesrecht nicht anzuwenden, wenn dieses offensichtlich, d.h. bestätigt durch die Rechtsprechung europäischer Gerichte, gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.
Wie sich die Rechtslage hinsichtlich des Glücksspielsstaatsvertrags unter Beachtung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH entwickeln wird, bleibt abzuwarten (siehe hierzu auch  die Rechtsprechung desOLG Münchenund  desBundesverwaltungsgerichtsim Rechtsforum).

Anwaltlicher Vertreter der Stadt:RA Dr. Georg Krafft



Fundstelle: LG Passau, Urteil vom 04.11.2010 - 1 O 1118/09