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Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Alternativaufklärung vor Leistenbruch-OP, OLG Koblenz, 15.10.2014 - 5 U 976/13

Eine total extraperitoneale Hernioplastik (TEPP/TEP) ist gegenüber einer trans-abdominellen präperitonealen Hernioplastik (TAPP) mit geringeren, allerdings anderen Risiken behaftet. Daher muss ein Patient über beide Methoden auch dann aufgeklärt werden, wenn die alternativ in Betracht kommende im jeweiligen Krankenhaus nicht praktiziert wird.


Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner

Ein Patient wurde mittels TAPP-Technik minimalinvasiv operiert. Dabei wurde der Dünndarm perforiert und Folgeeingriffe wurden erforderlich. Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagten, da der Eingriff wegen unterbliebener Alternativaufklärung rechtswidrig gewesen sei.
Wegen der seit Monaten persistierenden Beschwerden habe man zwar nicht über (weitere) konservative Behandlungsmöglichkeiten aufklären müssen, jedoch über die unterschiedlichen Operationsmethoden und deren Risiken. Bei einer gleichfalls möglichen total extraperitonealen Hernioplastik (TEP) bestehe die Gefahr der Verletzung von Organen im Bauchraum nicht bzw. sei signifikant geringer.

Aus den Gründen:

„Gibt es verschiedene Methoden mit deutlich unterschiedlichen Risiken und Chancen, vertritt der Senats seit jeher die Ansicht, dass der Patient darüber aufgeklärt werden muss, damit er eigenverantwortlich entscheiden kann, auf welches Risiko er sich einlassen will (vgl. das in VersR 2007, 111 veröffentlichte Senatsurteil vom 12.10.2006, 5 U 456/06, „Ovarialzyste“ und OLG Brandenburg in VersR 2011, 267-269, „Leistenbruch“ m. w. N.).Nur wenn der Arzt nach Darstellung des Für und Wider eine konkrete Empfehlung erteilt, die unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen medizinischen Fakten im Rahmen des Vertretbaren liegt, ist die Aufklärung nicht zu beanstanden (vgl. zu einem derartigen Fall Senatsurteil vom 12. 02. 2009, 5 U 927/06, in VersR 2009, 1077-1079).“

Dass in dem vorgedruckten Text des Aufklärungsbogens davon die Rede, der Patient sei über die „Wahl des Operationsverfahrens, Vor- und Nachteile gegenüber anderen Methoden“ aufgeklärt worden genüge nicht. Mit dem Patienten hätte konkret über die TEP-Technik und deren signifikant geringeres Risiko von Darmverletzungen gesprochen werden müssen. Die handschriftliche Eintragung „endoskopische Operation (TAPP)“ im Aufklärungsbogen spreche im Gegenteil dafür, dass ausschließlich diese Technik und deren Risiken besprochen wurden. Nachdem der Senat einen Entscheidungskonflikt des Patienten bei sachgemäßer Information über die signifikant höhere Gefahr von Darmverletzungen bei der TAPP-Methode für hinreichend dargetan erachtete, wurde dem Kläger mangels wirksamer Einwilligung und deswegen rechtswidrigen Eingriffs dem Grunde nach Schadensersatz zuerkannt.


Fundstelle: BeckRS 2014, 23204, GesR 2015, 91