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Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Kein Anspruch auf Behandlung durch bestimmten Arzt, wenn nicht eindeutig vereinbart (OLG Saarbrücken Urt. v. 11.4.2018 – 1 U 111/17)

Ein gesetzlich versicherter Patient erklärt sich bei einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag im Regelfall mit der Behandlung durch alle diejenigen Ärzte einverstanden, die nach dem internen Dienstplan zuständig sind.

Wenn der Patient ausschließlich in die Operation durch einen bestimmten Arzt einwilligen will, obgleich er keinen entsprechenden Arztzusatzvertrag abgeschlossen hat, muss er dies eindeutig zum Ausdruck bringen. Der von einem Patienten geäußerte Wunsch oder seine subjektive Erwartung, von einem bestimmten Arzt operiert zu werden, reichen für die Annahme einer auf eine bestimmte Person beschränkten Einwilligung nicht aus.

Aus den Gründen:

"a) Beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag verpflichtet sich der Krankenhausträger alle für die stationäre Behandlung erforderlichen Leistungen einschließlich der gesamten ärztlichen Versorgung zu erbringen (Martis/Winkhart, a.a.O., Rn. K 132). Der Patient tritt bei einem solchen Vertrag allein zum Krankenhausträger, nicht zum Chefarzt, den behandelnden Ärzten oder dem vom Krankenhaus hinzugezogenen Konsiliararzt in vertragliche Beziehungen (Martis/Winkhart, a.a.O., Rn. K 132b). Bei dieser Regelform der stationären Krankenhausbetreuung hat der Patient grundsätzlich keinen Anspruch darauf, von einem bestimmten Arzt behandelt und operiert zu werden (BGH, Urteil vom 11.5.2010 – VI ZR 252/08, aaO Rn. 5). Zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Behandlungsvertrag kann sich der Krankenhausträger in der Regel seines gesamten angestellten Personals bedienen (BGH, aaO Rn. 5 m.w.N.). Dem Krankenhausträger als alleinigem Vertragspartner ist es insbesondere überlassen, den Operationsplan so aufzustellen, dass alle Krankenhausärzte nach Möglichkeit gleichmäßig herangezogen und entsprechend ihrem jeweiligen Können eingesetzt werden, sodass einerseits die höher qualifizierten und erfahrenen Ärzte für die schwierigeren Eingriffe zur Verfügung stehen und andererseits den noch nicht so erfahrenen Assistenzärzten - unter Überwachung durch einen erfahrenen Kollegen - die Möglichkeit gegeben werden kann, sich anhand von weniger schwierigen Eingriffen weiterzubilden. Anders wäre die Aufstellung eines den verschiedenen Schwierigkeitsgraden der Eingriffe gerecht werdenden Operationsplans wie auch eine vernünftige Aus- und Weiterbildung der Ärzte in Krankenhäusern nicht möglich (BGH, Urteil vom 11.5.2010 – VI ZR 252/08, aaO Rn. 5). Ein gesetzlich versicherter Patient erklärt sich beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag im Regelfall mit der Behandlung durch alle diejenigen Ärzte einverstanden, die nach dem internen Dienstplan zuständig sind (BGH, aaO Rn. 6).

b) Auch beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag bleibt es dem Patienten unbenommen zu erklären, er wolle sich nur von einem bestimmten Arzt operieren lassen. In diesem Fall darf ein anderer Arzt den Eingriff nicht vornehmen. Einen Anspruch darauf, dass der gewünschte Operateur tätig wird, hat der Patient jedoch nicht; er muss sich, wenn er nicht doch darin einwilligt, dass ein anderer Arzt den Eingriff vornimmt, gegebenenfalls damit abfinden, unbehandelt entlassen zu werden (BGH, Urteil vom 11.5.2010 – VI ZR 252/08, aaO Rn. 6). Ist ein Eingriff durch einen bestimmten Arzt vereinbart oder konkret zugesagt, muss der Patient rechtzeitig aufgeklärt werden, wenn ein anderer Arzt an seine Stelle treten soll. Sofern allerdings die Einwilligung nicht eindeutig auf die Behandlung durch einen bestimmten Arzt beschränkt ist, erstreckt sie sich grundsätzlich auch auf die Behandlung durch einen anderen Arzt (BGH, aaO Rn. 6).

c) Aus einer unverbindlichen Absprache über die Person des Operateurs folgt beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag nicht, dass der Patient in einem solchen Fall in aller Regel nicht auch mit einer Operation durch einen anderen Arzt einverstanden ist. Diesen Ansatz hat der Bundesgerichtshof als rechtsfehlerhaft verworfen, weil er bei einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung nicht gerecht wird (BGH, aaO Rn. 10). Bei einem solchen Vertrag kann der Patient grundsätzlich nicht erwarten, von einem bestimmten Arzt behandelt zu werden. Wenn der Patient ausschließlich in die Operation durch einen bestimmten Arzt einwilligen will, obgleich er keinen entsprechenden Arztzusatzvertrag abgeschlossen hat, muss er deshalb in Anbetracht des dem Krankenhausträger grundsätzlich zustehenden Rechts, sich für die Behandlung seines gesamten Personals zu bedienen, eindeutig zum Ausdruck bringen, dass er nur von einem bestimmten Arzt operiert werden will. Der von einem Patienten geäußerte Wunsch oder seine subjektive Erwartung, von einem bestimmten Arzt operiert zu werden, reichen für die Annahme einer auf eine bestimmte Person beschränkten Einwilligung nicht aus (BGH, aaO Rn. 10).

d) Die beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag bestehende Situation ist von den Fällen zu unterscheiden, in denen der Patient aufgrund eines Zusatzvertrags Wahlleistungen, insbesondere die sogenannte Chefarztbehandlung, in Anspruch nimmt. In diesen Fällen ist der Arzt gegenüber dem Patienten aus einer ausdrücklichen Wahlleistungsvereinbarung verpflichtet und muss seine Leistungen grundsätzlich selbst erbringen. Der Patient schließt einen solchen Vertrag im Vertrauen auf die besonderen Erfahrungen und die herausgehobene medizinische Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes ab, die er sich in Sorge um seine Gesundheit gegen Entrichtung eines zusätzlichen Honorars für die Heilbehandlung sichern will. Der Wahlarzt muss die seine Disziplin prägende Kernleistung persönlich und eigenhändig erbringen. Insbesondere muss der als Wahlarzt verpflichtete Chirurg die geschuldete Operation grundsätzlich selbst durchführen, sofern er mit dem Patienten nicht eine Ausführung seiner Kernleistungen durch einen Stellvertreter wirksam vereinbart hat (BGH, Urteil vom 11.5.2010 - VI ZR 252/08, aaO, Rn. 7).

e) Die vorstehend wiedergegebenen Grundsätze hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung nicht beachtet, wenn es als Maßstab für seine Beurteilung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 25.8.2008 (5 U 28/08, bei Juris) anführt, eine Beschränkung der Einwilligungserklärung könne sich auch aus der entsprechend §§ 133, 157 BGB maßgebenden Sicht der Behandlungsseite aus den Umständen ergeben (LGU 8). Das berücksichtigt nicht, dass bei einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag eine Beschränkung der Einwilligung auf einen bestimmten Arzt nur dann angenommen werden kann, wenn der Patient seinen entsprechenden Willen eindeutig zum Ausdruck bringt (BGH, Urteil vom 11.5.2010 - VI ZR 252/08, aaO, Rn. 9, 10) Das vom Landgericht als Beleg für seine abweichende Rechtsauffassung in Bezug genommene Urteil des Oberlandesgerichts Köln hat der Bundesgerichtshof mit der genannten Leitentscheidung vom 11.5.2010 (VI ZR 252/08) aufgehoben."

Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner

Fundstelle: BeckRS 2018, 6340