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Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Keine Aufklärungspflicht über alternative Behandlungsmöglichkeiten, wenn diese nur kurzzeitig helfen (OLG Dresden, Endurteil v. 27.03.2018 – 4 U 1457/17)

Eine echte Wahlmöglichkeit, über die der Patient vor einer relativ indizierten Operation aufzuklären ist, stellt die konservative oder rein abwartende Behandlung nur dann dar, wenn begründete Aussicht besteht, dass hiermit mehr als nur eine kurzzeitige Beschwerdelinderung erreicht werden kann.

Aus den Gründen:

"Entgegen der Ansicht der Berufung ist der Beklagten nicht anzulasten, dass sie die Klägerin über in Betracht kommende konservative Therapieoptionen nicht aufgeklärt hat. Um das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu wahren, dem stets die Entscheidung darüber zusteht, ob und in welchem Umfang er einen ihm angeratenen ärztlichen Heileingriff mit den damit verbundenen Chancen und Risiken für seinen Körper und seine Gesundheit zustimmen will, muss der Arzt diesen zwar über alternativ zur Verfügung stehende Behandlungsmöglichkeiten aufklären, wozu auch die Möglichkeit gehört, von einer Operation zunächst abzusehen und die Entwicklung weiter zu beobachten. Je weniger dringlich sich der Eingriff - nach medizinischer Indikation und Heilungsaussicht - in zeitlicher und sachlicher Hinsicht für den Patienten darstellt, desto weitgehender ist das Maß und der Genauigkeitsgrad der Aufklärungspflicht. Dabei ist bei einer nur relativ indizierten Operation regelmäßig auch eine gleichzeitige Aufklärung über die Möglichkeit einer abwartenden Behandlung oder des Nichtstuns geboten. Auch bei einer nur relativen Indikation setzt dies aber voraus, dass das Abwarten eine echte Wahlmöglichkeit darstellt. Dies war hier nicht der Fall. Die Klägerin befand sich nach ihrem eigenen Vortrag seit Jahren wegen ihrer chronischen Unterbauchbeschwerden in Behandlung ihrer Gynäkologin; die von dieser angewandten konservativen Therapien brachten aber nur kurzzeitig Linderung. Zudem waren die Beschwerden im Vorfeld der Operation progredient. Ihre Gynäkologin hatte die Klägerin daher ausdrücklich zur Beratung über operative Therapiemöglichkeiten in die Sprechstunde der Beklagten überwiesen. Auch der Sachverständige … bestätigt, dass konservative Therapieoptionen ausgeschöpft waren und hat vor diesem Hintergrund sowohl die Indikation als auch die Aufklärung unbeanstandet gelassen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die konservative Behandlung hier keine echte Behandlungsalternative mehr darstellte und die Klägerin zudem über die Option, diese gleichwohl fortzuführen, bereits vor dem hier streitgegenständlichen Aufklärungsgespräch hinreichend informiert und aufgeklärt war."

Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner

Fundstelle: BeckRS 2018, 5123