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Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Behandlungspflichten enden mit der Überweisung an weiterbehandelnden Arzt (OLG Naumburg, Teilurteil vom 10.10.2013 - 1 U 78/12)

Wird mit einer ärztlichen Überweisung eine konkrete Untersuchung erbeten, aber auch das Kästchen "Mit-/Weiterbehandlung" angekreuzt, so wird die gesamte diagnostische und therapeutische Tätigkeit dem weiterbehandelnden Vertragsarzt übertragen.

Haben sich Arzt und Patient auf eine Beendigung des Vertrages geeinigt, verbleiben beim Überweisenden keine Behandlungspflichten, selbst wenn der Überweisungsempfänger die Behandlung nicht - wie beabsichtigt - vollständig übernimmt.

Jeder Arzt schließt mit dem Patienten einen besonderen Behandlungsvertrag und kann das Vertragsverhältnis im Einvernehmen mit dem Patienten jederzeit beenden. Für die Wirksamkeit einer solchen Vertragsaufhebung kommt es nicht auf die Reichweite der gleichzeitig veranlassten Überweisung und das Zustandekommen eines adäquaten Behandlungsvertrages zu einem neuen Arzt an. Die dienstvertraglichen Pflichten des in horizontaler Arbeitsteilung durch Überweisung hinzugezogenen Arztes mögen sich im Einzelfall auf eine bloße Untersuchung beschränken, so dass die Verantwortung für die weitere Behandlung aufgrund der erhobenen Befunde beim Überweisenden verbleibt. Das ist aber nicht Folge der auf die Untersuchung beschränkten Überweisung, sondern des fortbestehenden Behandlungsvertrages zwischen dem Überweisenden und dem Patienten. Haben sich Arzt und Patient auf eine Beendigung des Vertrages geeinigt, verbleiben beim Überweisenden keine Behandlungspflichten, selbst wenn der Überweisungsempfänger die Behandlung nicht - wie beabsichtigt - vollständig übernimmt. Mit dem Ankreuzen des Kästchens „Mit-/Weiterbehandlung“ erfolgte eine gebietsbezogenen Erbringung begleitender oder ergänzender diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen, über deren Art und Umfang der Vertragsarzt, an den überwiesen wurde, entscheidet; bei einer Überweisung zur Weiterbehandlung wird die gesamte diagnostische und therapeutische Tätigkeit dem weiterbehandelnden Vertragsarzt übertragen (§ 27 Abs. 7 Nrn. 3, 4 Arzt-/Ersatzkassen-Vertrag).


Anmerkung:

Die Entscheidung des OLG Naumburg setzt der Verantwortung eines behandelnden Arztes richtigerweise eine Grenze, wenn er davon ausgeht und ausgehen kann, dass die Behandlung von einem zuverlässigen und kompetenten anderen Arzt fortgesetzt wird. Die Entscheidung deckt sich mit der Rechtsprechung zur „horizontaler Arbeitsteilung“: Solange keine offensichtlichen Qualifikationsmängel vorliegen oder der überweisende Arzt Fehlleistungen des mit- bzw. weiterbehandelnde Arztes erkennt bzw. wegen Evidenz hätte erkennen müssen, kann er davon ausgehen, dass der Kollege seine Aufgabe mit der gebotenen Sorgfalt erfüllt, ohne dass insoweit eine gegenseitige Überwachungspflicht besteht - oder bei ihm sonstige Behandlungspflichten verbleiben.

Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner

Fundstelle: BeckRS 2014, 05590; GesR 2014, 348 f.