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Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Beweislastverteilung bei Hygienemängeln (OLG Koblenz, Urteil vom 04.12.2013 - 5 U 1018/13)

Kommen für eine Infektion mehrere Ursachen in Betracht, hat die Patientenseite die Kausalität eines Hygienemangels voll zu beweisen, es sei denn, dieser wäre "grob" gewesen.

Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner

Eine Patientin erhielt in einer Arztpraxis eine sog. „Myer´sche Lösung“ als Infusion, hatte anschließend einen septischen Schock, musst operiert werden und verstarb letztlich an einem multiplen Organversagen.

Bei einer Blutuntersuchung wurde der Keim Citrobacter freundii nachgewiesen. Durch eine Obduktion und mehrere Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Infusion die Ursache der Sepsis gewesen sein kann. Andere Ursachen waren jedoch auch denkbar.

Die Klägerin (Tochter der Patientin) reklamiert eine Umkehr der Beweislast zu ihren Gunsten, weil in der Praxis der Beklagten gravierende Hygienemängel (kein Hygieneplan, unzureichende Handdesinfektion, unsterile Zubereitung) anzutreffen gewesen seien, die den Vorwurf eines groben ärztlichen Fehlers rechtfertigten.

Der Gutachter stellte „relevante Hygienefehler" zwar fest, die „nicht passieren dürfen“, qualifiziert die konkret vorhandenen Manki aber nicht als fundamental und als im Rahmen ärztlichen Handelns nicht mehr nachvollziehbar, da nach Untersuchungen in Krankenhäusern etwa die Handhygiene nur in 40 bis 50% der Fälle eingehalten werde. Das sei menschlich verständlich, medizinisch allerdings nicht adäquat. Genauso verhalte es sich hier:

Aus den Gründen:

"Dieses Verdikt verbietet die Annahme eines groben ärztlichen Fehlers. Die insoweit vom Senat in einer Vielzahl von Arzthaftungsprozessen wiederkehrend angelegten Maßstäbe würden verfälscht, wenn dem Beklagten … im vorliegenden Fall ein die Beweislast wendender Pflichtverstoß angelastet würde. Es kommt hinzu, dass es keine medizinischen Leitlinien gab, aus denen sich feste Hygieneregeln für niedergelassene Ärzte hätten entnehmen lassen … und dass man in der Praxis der Beklagten. den nach dem allgemeinen Erkenntnisstand wesentlichen Gesichtspunkt der Handdesinfektion vor der Zubereitung des Infusats … uneingeschränkt beachtete."

Fundstelle: BeckRS 2015, 10366 (GesR 2015, 423)