Menu

Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Lagerungsschäden sind nicht automatisch voll beherrschbar (OLG Köln, Beschl. v. 25.02.2013 - 5 U 152/12)

Die Lagerung eines Patienten stellt nicht automatisch einen voll beherrschbaren Risikobereich dar und rechtfertigt eine entsprechende Beweislastumkehr nur dann, wenn feststeht, dass die Lagerung auch tatsächlich voll beherrschbar war.

Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner

Im vorliegenden Fall wurde der Kopf eines Patienten während eines lange dauernden operativen Eingriffs - unter Operationstüchern verborgen - auf einem Kopfring mit Gelkissen gelagert, was nach den Feststellungen eines Sachverständigen dem fachärztlichen Standard entsprach. Dabei kam es zu einem Druck- bzw. Lagerungsschaden am Ohr des Patienten, bei dem es sich nach den Feststellungen des Sachverständigen um ein sehr geringes Operationsrisiko handelt, das nicht sicher auszuschließen ist.

Aus den Gründen:

"Richtig ist, dass die Rechtsprechung (vor allem bei zeitlich weiter zurück liegenden Entscheidungen) die Grundsätze des voll beherrschbaren Risikobereichs, wonach eine objektive Pflichtverletzung und ein Verschulden des Behandlers vermutet werden, wenn ein Schaden aus einem Bereich stammt, dessen Risiken durch Anwendung der gebotenen Sorgfalt in vollem Umfang beherrschbar sind, auch auf Fälle von Lagerungsschäden angewandt hat (vgl. etwa BGH NJW 1984, 1408; BGH NJW 1995, 1618; und viele weitere, auch OLG Köln VersR 1991, 695; jüngst OLG Jena OLGR 2007, 677 ff.). Dem zugrunde liegt die medizinische Grundannahme, dass bei technisch richtiger Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch, die Beachtung der dabei einzuhaltenden Regeln und die Kontrolle der Lagerung durch die operierenden Ärzte es sich um Maßnahmen handelt, die „voll beherrschbar“ sind. Das ist indes keineswegs automatisch und für jede Form von lagerungsbedingter Schädigung der Fall. Insbesondere Drucknekrosen sind sehr häufig auch durch Anwendung größtmöglicher Sorgfalt nicht zu vermeiden, wie dem Senat aus einer Vielzahl vergleichbarer Fälle bekannt ist. Demnach gilt, dass ein Lagerungsschaden eine Umkehr der Beweislast nur dann rechtfertigt, wenn es sich um eine vollständig beherrschbare Komplikation handelt, deren Entstehung zwingend auf einen Behandlungsfehler hinweist (OLG Oldenburg VersR 1995, 1194 f.)."

Anmerkung:

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln verdient Zustimmung, da sie sich an dem den Ärzten tatsächlich Möglichen orientiert und die Realität in einem Operationssaal berücksichtigt.

So hatte beispielsweise das OLG Koblenz (Urteil vom 22.10.2009 – 5 U 662/08; NJW 2010, 1759) entschieden, dass an den Nachweis für die technisch richtige Lagerung des Patienten während einer Operation „maßvolle, den Klinikalltag berücksichtigende Anforderungen“ zu stellen sind und der Arzt nicht für einen Lagerungsschaden haftet, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass sämtliche Sicherungsmaßnahmen getroffen wurden, die nach den seinerzeit bestehenden Erkenntnissen erforderlich waren. Dem Patienten kommt keine Beweislastumkehr zugute, wenn die Lagerung auf dem OP-Tisch, dem medizinischen Standard entsprach (vgl. Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht, 11. Auflage, Rn. 618 a. E. m.w.N.).

Fundstelle: BeckRS 2013, 20591; GesR 2014, 345 ff.