Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht
MRSA-Infektionen in einem Krankenhaus begründen per se keine Haftung. Das gilt auch dann, wenn die Keimübertragung durch Mitpatienten erfolgte. (OLG München, 06.06.2013 - 1 U 319/13)Für die von der Rechtsprechung entwickelte Figur des voll
beherrschbaren Risiko- bzw. Gefahrenbereichs besteht nur dann Raum, wenn
festgestellt werden kann, dass die Schädigung des Patienten weder aus einer
Sphäre stammt, die - wie z. B. Risiken aus dem eigenen menschlichen Organismus
- dem Patienten zuzurechnen ist, noch aus dem Kernbereich des ärztlichen
Handelns herrührt.
Nur wenn unstreitig oder nachgewiesen ist, dass das Risiko,
das sich bei dem Patienten verwirklicht, aus einem Bereich stammt, dessen
Gefahren ärztlicherseits durch sachgerechte Organisation und Koordinierung des
Behandlungsgeschehens objektiv voll ausgeschlossen werden kann und muss (so
genannte voll beherrschbare Risiken, vgl. BGHZ 89, 263, 289; BGH VersR 1978,
82, 83, BGH VersR 1991, 1058, 1059; BGH NJW 1991, 1541, 1542; BGH VersR 2007,
847, 848), trifft die Behandlungsseite die Darlegungs- und Beweislast für
Verschuldensfreiheit.
Sind sowohl Zeitpunkt als auch Quelle einer
Keimübertragung unbekannt und ist es daher nicht aufklärbar, ob der Kläger bereits
MRSA-Keimträger war, als er in das beklagte Klinikum eingeliefert worden ist
oder ob er den Keim dort erworben hat, folgt daraus, dass die Grundsätze
der Rechtsprechung zum voll beherrschbaren RisikokeineAnwendung finden
können.
Selbst wenn der Kläger den MRSA-Keim über einen Mitpatienten
erlangt haben sollte, würde allein dieser Umstand nochkeineHaftung der
Beklagten begründen. Während das Krankenhauspersonal sowie die verwendeten
Gerätschaften integraler Bestandteil des Klinikbetriebes sind und dem
organisatorischen Verantwortungsbereich der Klinikleitung unterstehen, können
die (Mit-)Patienten eines Krankenhausesnichtdem (voll zu beherrschenden)
Gefahrenkreis des Krankenhausträgers zugerechnet werden.
Es entspricht sowohl der Rechtsprechung des Senats (OLG München vom 11.10.2011, 1 U 2952/11)
als auch anderer Oberlandesgerichte (OLG Hamm vom 13.12.2004, 3 U 135/04 und
vom 09.12.2009, 3 U 122/09; OLG Sachsen-Anhalt vom 12.06.2012, 1 U 119/11),
dass die Infektion eines Patienten mit einem multiresistenten Erreger während
eines Krankenhausaufenthalts weder per se eine Haftung der Klinik begründet,
noch ein Indiz für eine mangelhafte Behandlung darstellt.
Die Wege, auf denen
sich Keime verbreiten können, sind weder vollständig kontrollierbar noch kann
die Übertragung zuverlässig durch angemessene Vorsorgemaßnahmen ausgeschlossen
werden. Infektionen, die sich aus solchen - nicht beherrschbaren - Gründen
ereignen, gehören zum entschädigungslos bleibenden Lebensrisiko des Patienten.
Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner
Fundstelle: GesR 2013, 618 ff.