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Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Nachsenden von menschlichen Organen stellt Schickschuld dar (OLG München, Urteil vom 31.01.2013)

Werden Organe, die zur Obduktion noch einige Tage in der Pathologie verbleiben, nach der Leichenüberführung nachgesendet, stellt dies idR eine Schickschuld des Krankenhauses dar. Daraus folgt, dass es zum Nachweis der Erfüllung der Herausgabeverpflichtung ausreicht, dass das beklagte Krankenhaus belegt, sämtliche Organe dem beauftragten Transporteur bzw. Bestatter übergeben zu haben.   

Ansprechpartner: Christian Koller, Partner

Der aus Russland stammende Sohn der Klägerin wurde in dem Klinikum der Beklagten in Deutschland wegen einer seltenen glioneuronalen Tumorerkrankung ärztlich behandelt. Er verstarb am 31.01.2010. Die Leiche des Kindes wurde am 02.02.2010 im Institut für Pathologie der Beklagten obduziert und anschließend zum Transport konserviert. Am 03.02.2010 wurde der Leichnam des Kindes zur Überführung durch das beauftragte Bestattungsunternehmen abgeholt, am 04.02.2010 nach Russland überstellt und dort am 06.02.2010 zunächst ohne die bei der Obduktion entnommenen Organe bestattet. Mit Schreiben vom 04.02.2010 versicherte die Beklagte, nach abgeschlossener Obduktion sämtliche Organe des verstorbenen Kindes der Klägerin wieder zur Verfügung zu stellen und eine Überführung der Organe nach Russland zu veranlassen. Nach Abschluss der Obduktionsuntersuchungen an den Organen wurden diese von den Präparatoren der Beklagten zum Rücktransport an die Klagepartei verpackt. Am 22.03.2010 wurde das in 7 verschlossenen Organpaketen verpackte Material zum Rücktransport bereitgestellt. Am 23.03.2010 beauftragte die Beklagte sodann das Bestattungsunternehmen mit dem Organtransport nach Russland, der am 24.03.2010 durchgeführt wurde. Die Organpakete wurden hierbei in einer von den Mitarbeitern des Bestattungsinstituts verlöteten Kiste mit Zinkeinsatz zusammen mit einer Packliste an die Klägerin nach Russland transportiert, wo sie nach den Speditionsunterlagen am 27.03.2010 eintrafen. Am 25.05.2010 wurde der Leichnam des Kindes in Russland exhumiert und untersucht. Dabei wurde das Fehlen der Organe festgestellt.

Die Klägerin erhob sodann Klage auf Herausgabe dieser Organe.

Das OLG München bestätigte das klageabweisende Urteil des LG München I.

Die Beklagte konnte dabei ihre Verpflichtung die Organteile an die Klägerin zurückzugeben durch Übergabe der Organteile bzw. Pakete an den Bestatter erfüllen. Die Verpflichtung der Beklagten ist als so genannte Schickschuld einzustufen. Im Gegensatz zu einer Bringschuld ist die Leistungshandlung bei einer Schickschuld dann erfüllt, wenn der Schuldner den Gegenstand an Dritte zur Übermittlung an den Gläubiger übergibt. Ob eine Schick- oder Bringschuld vorliegt, bestimmt sich nach der Parteivereinbarung und, sofern diese nicht eindeutig ist, aus der Natur des Schuldverhältnisses und den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles. Nach diesen Grundsätzen wurde zwischen den Parteien des Behandlungsvertrags eine Schickschuld vereinbart. Die Beklagte hat die vertragliche Verpflichtung übernommen, alle organisatorischen Fragen für den Transport der Leiche zu erledigen. Eine weitergehende Verpflichtung wie Übernahme des Transports enthält die Vereinbarung nicht.  Daraus folgt, dass zum Nachweis der Erfüllung der Herausgabeverpflichtung es ausreicht, dass die Beklagte belegt, sämtliche Organe dem beauftragten Transporteur bzw. Bestatter übergeben zu haben.

Diesen Nachweis konnte die Beklagte führen. Die Feststellungen des Landgerichts, dass die Beklagte sämtliche Organe verpackt und durch Übergabe an den Bestatter den Besitz an den Organen aufgegeben hat, waren nicht zu beanstanden. Das OLG stimmte zudem der ersten Instanz zu, dass nicht die geringsten Anhaltspunkte bestehen, dass nach der Verpackung der Organe und vor Übergabe an den Bestatter aus den bereits verschlossenen Paketen wieder Organteile entnommen worden sind. Die Klägerin führt keine konkreten und überprüfbaren Anhaltspunkte für ihren schwerwiegenden Verdacht an, dass zur Vertuschung eines angeblichen Behandlungsfehlers und/oder zu Forschungszwecken nach der Verpackung wieder Organteile entnommen worden sind.

Fundstelle: OLG München, Urteil vom 31.01.2013 - 1 U 3995/12