Menu

Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

"Wahlleistungsvereinbarung = Behandlungsfehler? (OLG Braunschweig, Urteil vom 25.09.2013)"

1. Vereinbart der Patient vor einem geplanten Heileingriff gegen zusätzliches Honorar die Behandlung durch den Chefarzt der Klinik, so ist seine Einwilligungserklärung auf die Durchführung der Operation durch den Chefarzt persönlich beschränkt.

2. Wird die Operation in einem solchen Fall durch einen, selbst vorher namentlich aufgelisteten Vertreter des Chefarztes durchgeführt, so ist der Eingriff mangels Einwilligungserklärung gleichwohl rechtswidrig, wenn nicht der Patient zuvor von der - tatsächlich bestehenden und der Behandlungsseite nachzuweisenden - unvorhergesehen Verhinderung des Chefarztes informiert worden ist.

3. Bezahlt ein Patient in einer solchen Situation in dem Wissen, dass sich bei der durch den Vertreter des Chefarztes durchgeführten Operation eingriffspezifische Risiken verwirklicht haben, so liegt in einer Bezahlung der Arztrechnung keine konkludente nachträgliche Billigung der Behandlersubstitution (entgegen OLG Köln, VersR 1997, 115). Dem eine Chefarztrechnung bezahlenden Patienten fehlt regelmäßig das erforderliche Erklärungsbewusstsein, die Durchführung der Operation durch den Vertreter des Chefarztes nachträglich zu genehmigen.

4. Ist die Frage der Stellvertretung - wie hier - in AGB geregelt, ist zur wirksamen Vertreterregelung gemäß § 308 Nr. 4 BGB nur eine solche Klausel zulässig, in der der Eintritt eines Vertreters des Wahlarztes auf die Fälle beschränkt ist, in denen dessen Verhinderung im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung nicht bereits feststeht, etwa weil die Verhinderung (Krankheit, Urlaub etc.) selbst noch nicht absehbar oder weil noch nicht bekannt ist, dass ein bestimmter verhinderter Wahlarzt, auf den sich die Wahlleistungsvereinbarung erstreckt, zu Behandlung hinzugezogen werden muss. Überdies ist eine Stellvertretervereinbarung in AGB nach § 308 Nr. 4 BGB nur dann wirksam, wenn darin als Vertreter der ständige ärztliche Vertreter bestimmt ist. Außerdem muss auch der ständige ärztliche Vertreter in der Vereinbarung namentlich benannt sein.

5. Sämtliche vorgenannten Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es um einen Honoraranspruch des Arztes oder um einen gegen den Arzt gerichteten behandlungsvertraglichen Haftungsanspruch des Patienten geht.


Ansprechpartner: Christian Koller, Partner

Anmerkung:


Insbesondere der Leitsatz Ziffer 5 der Entscheidung ist kritisch zu betrachten. Das OLG Braunschweig vermischt die Grundsätze des Haftungsrechts mit dem Recht der Privatliquidation. Im Ergebnis führt dies dazu, dass auch ohne Vorliegen eines Behandlungsfehlers bei gleichzeitiger korrekter Risikoaufklärung dem Patienten ein Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch entstehen kann, nur weil er nicht von dem vereinbarten Behandler operiert wurde. Damit wird die Operation durch den „falschen“ Operateur einem Behandlungsfehler gleichgesetzt. Ein Behandlungsfehler liegt jedoch nur dann vor, wenn der Facharztstandard unterschritten wird. Nach unserer Auffassung kann es jedoch wertungsmäßig keine Abweichung vom Facharztstandard darstellen, wenn ein anderer als der vereinbarte Operateur die Operation in der Sache beanstandungsfrei durchführt.

Dennoch muss das vorliegende oberlandesgerichtliche Urteil in der Praxis beachtet und umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass der in der Wahlleistungsvereinbarung benannte Operateur grundsätzlich persönlich die Operation bzw. den Eingriff durchführen muss, es sei denn die folgenden 2 Voraussetzungen sind erfüllt:

Zum einen muss eine unvorhergesehene Verhinderung des Arztes vorliegen. Eine Verhinderung ist unvorhergesehen, wenn sie nicht planbar ist. Sie darf folglich im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung nicht schon feststehen. Folglich stellt es keine unvorhergesehene (nicht planbare) Verhinderung dar, wenn der OP-Termin in einen bereits festgelegten Urlaub gelegt oder ein Urlaub trotz bereits terminierter Operationen genommen wird.

Zum anderen muss der Patient vor dem Eingriff über den Operateurwechsel informiert werden und damit einverstanden sein. Dies setzt aber voraus, dass die Unterrichtung rechtzeitig erfolgt. Der Patient muss noch in der Lage sein, sich frei zu entscheiden. Das Einverständnis des Patienten ist zwingend zu dokumentieren.

Die Entscheidung des OLG Braunschweig dürfte in vielen Krankenhäusern Veranlassung geben, die bisher verwandten Wahlleistungvereinbarungen zu überarbeiten und organisatorische Änderungen vorzunehmen, um nicht aus formellen Gründen einen Honoraranspruch zu verlieren oder sich gar einer Haftung auszusetzen.


Fundstelle: OLG Braunschweig, Urteil vom 25.09.2013 - 1 U 24/12
= BeckRS2014, 01104