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Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Befangenheit eines Sachverständigen (LG Berlin vom 14.10.2014)

Ein Sachverständiger, der ohne gerichtlichen Auftrag eine Glaubhaftigkeitsbewertung der Parteien vornimmt, rechtfertigt Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit gem. §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO.

Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner

Hierfür genügt jede Tatsache, die ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann. Für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich parteiisch ist oder sich selbst für befangen hält oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Entscheidend ist vielmehr, ob vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit und Objektivität des Sachverständigen auszulösen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 14. Oktober 2005 - 21 W 8/05 -, juris).

Der Sachverständige bewertete die Darstellungen des Arztes u.a. „aus der eigenen längeren Erfahrung im Umgang mit diesem Patienten-Klientel“ als plausibel, berücksichtigte „Faktoren, die auch psychologisch begründet sind“ und „ggf. auch ökonomische Ängste“.

Aus den Gründen:

Mit diesen Ausführungen ist der Sachverständige nicht nur über die Beantwortung der Beweisfrage zur hinreichenden Dokumentation aus medizinischer Sicht hinausgegangen, die er bereits negativ beantwortet hatte. Er hat in diesem Zusammenhang eigene Überlegungen zum Beklagtenvortrag zum Gesprächsverlauf im Rechtsstreit angestellt und zu erkennen gegeben, dass er diesem Glauben schenkt. Dabei hat er sich auf eigene Erfahrungen mit einer Patientengruppe gestützt, der er offensichtlich den Kläger zuordnet und Mutmaßungen zu weiteren Motiven des Klägers angestellt (psychologischen wie ökonomischen). Letztlich handelt es sich dabei um die Würdigung einer Zeugenaussage, die der behandelnde Arzt Dr. ... noch gar nicht abgegeben hat. Diese Positionierung des Sachverständigen greift in das Neutralitätsgefüge des Rechtsstreits ein. Dass der Sachverständige ohne Anknüpfungspunkt im Beweisbeschluss dem Gericht nachdrücklich Begründungsansätze dafür übermittelt, warum die Beklagtendarstellung eines nicht dokumentierten Patientengespräches zutreffend sein dürfe, kann - unabhängig von der Frage einer tatsächlichen Befangenheit - die Sorge des Klägers rechtfertigen, der Sachverständige habe an dieser Stelle den ihm zukommenden neutralen Bereich genau zwischen beiden Prozessparteien zugunsten einer Seite und damit zulasten der anderen Seite verlassen mit möglichen Auswirkungen für seine sachbezogenen Ausführungen.

Fundstelle: LG Berlin vom 14.10.2014 - 8 O 243/13 = GesR 2014, 25 ff. = BeckRS 2014, 21287