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Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde bei Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots (BGH, Beschluss vom 16.09.2014)

Wird ein erhebliches Beweisangebot im Prozess nicht berücksichtigt, so verstößt dies gegen den Grundsatz auf rechtliches Gehör gemäß § 103 Abs. 1 GG, wenn die Nichtberücksichtigung im Prozessrecht keine Stütze findet.

Ein vom Gericht ernannter Sachverständiger muss die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen seines Gutachtens offenlegen. Tut er dies nicht, so verletzt die Verwertung dieses Gutachtens das Recht der Partei auf rechtliches Gehör, da es einer Verhinderung des Vortrags zu entscheidungserheblichen Punkten gleichkommt, wenn der Partei nicht die Gelegenheit gegeben wird, sich mit allen Grundlagen des Gutachtens kritisch auseinanderzusetzen.


Ansprechpartner: Anna Herzig

Die Klägerin hat den Beklagten, einen niedergelassenen Gynäkologen und dessen Gemeinschaftspraxis wegen unterlassener Aufklärung über die mit der Durchführung einer Humane-Papillomviren (HPV)-Impfung mit dem Impfstoff G. verbundenen Risiken auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen.

Durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und nach Anhörung der Sachverständigen wies das Landgericht die Klage ab. Auch die dagegen gerichtete Berufung vor dem Oberlandesgericht hatte keinen Erfolg.

Anders die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde. Der BGH stellte fest, dass das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise deshalb verletzt habe, da es erheblichen Sachvortrag und das zugehörige Beweisangebot der Klägerin nicht berücksichtigt und zudem der Sachverständigen nicht aufgegeben habe, die ihrem Gutachten zugrunde liegenden weiteren Gutachten herauszugeben, so dass die Klägerin dazu hätte Stellung nehmen können.

Hintergrund war, dass das Berufungsgericht auf Grundlage des Sachverständigengutachtens davon ausgegangen war, dass es an einer kausal auf die Impfung zurückzuführenden Gesundheitsbeeinträchtigung fehle. Maßgeblich hierfür war, dass die Sachverständige aufgrund der Zeitabstände zwischen den dokumentierten ärztlichen Konsultationen bei der Beurteilung des Kausalzusammenhangs angenommen hatte, dass bestimmte Gesundheitsbeeinträchtigung erst mehrere Monate nach der letzten Impfung aufgetreten waren. Dabei blieb allerdings unberücksichtigt, dass die Klägerin unter Beweisantritt vorgetragen hatte, dass ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen bereits 14 Tage nach der letzten Impfung aufgetreten seien und andauerten. Diesem erheblichen Beweisantritt war das Gericht nicht nachgekommen, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beweisaufnahme Feststellungen ergeben hätte, die zu anderen sachverständigen Schlussfolgerungen geführt hätten.

Des Weiteren stellte der BGH fest, dass die Gewährung rechtlichen Gehörs auch erfordere, dass einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweise zu Grunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten vorher äußern konnten. Daran fehle es, wenn der vom Gericht ernannte Sachverständige die wesentlichen tatsächlichen Grundlagen seines Gutachtens nicht offen lege. Dies verletze nicht nur die Pflicht des Gerichts, Gutachten gerichtlicher Sachverständiger sorgfältig und kritisch zu würdigen, sondern auch das Recht der Partei auf rechtliches Gehör. Wenn der Partei nicht die Gelegenheit gegeben werde, sich mit allen Grundlagen des Gutachtens kritisch auseinanderzusetzen, komme dies einer Verhinderung des Vortrags zu entscheidungserheblichen Punkten gleich.


Fundstelle: BGH, Beschluss vom 16.09.2014 - VI ZR 118/13 = VersR 2015, S. 338