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Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Im Arzthaftungsprozess muss die auf Privatgutachten gestützte Kritik am Gerichtsgutachten vom Gericht abgearbeitet werden (LG Koblenz, Urteil vom 18.06.2014 - 5 U 187/14)

Das Gericht muss in jedem entscheidungserheblichen Einzelpunkt nachvollziehbar aufzeigen, warum es die Kritik eines Privatgutachters für nicht durchschlagend erachtet. Fehlt es daran, kann das die Rückgabe des Rechtsstreits in die erste Instanz erfordern.

Die Beklagtenseite war in einem Arzthaftungsprozess den Feststellungen des Gerichtsgutachters entgegengetreten, indem sie Privatgutachter beauftragt und deren Gutachten vorgelegt hatte. Das erstinstanzliche Gericht hatte die Sicht der Privatgutachter bei seiner Urteilsfindung vernachlässigt, indem es, ohne deren Position zu erwähnen, ausschließlich auf den Standpunkt des Gerichtsgutachters abgestellt hatte. Diese Vorgehensweise wurde vom Berufungsgericht beanstandet.

Aus den Gründen:

Nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs (NJW 2008, 2846; VersR 2009, 1406) ist der Tatrichter gehalten, sich mit von einer Partei vorgelegten Privatgutachten auseinanderzusetzen, wenn sich ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergibt. Dabei muss er, falls er - wie es das Landgericht getan hat - dem Gerichtsgutachten folgt, aufzeigen, warum er ihm den Vorzug gibt und die dagegen stehenden Einwendungen nicht für durchschlagend erachtet. Unterbleibt das, ist gegen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs verstoßen worden. Darüber hinaus hat das Landgericht unmittelbaren Parteivortrag der Klägerin übergangen und in der Konsequenz eine danach erforderliche Beweiserhebung unterlassen. Auch das stellt eine Gehörsverletzung dar, die die Zurückverweisung des Prozesses in die erste Instanz rechtfertigt (BGH NJW 1998, 2053; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 538 Rn. 17 f.; Ball in Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 538 Rn. 13; Rimmelspacher in Münchener Kommentar, ZPO, 4. Aufl., § 538 Rn. 32).

Anmerkung:

Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung eines Privat- bzw. Parteigutachtens insbesondere im Arzthaftungsprozess.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. Urt. v. 25.02.2009, VersR 2009, 817) muss der Tatrichter Äußerungen medizinischer Sachverständiger kritisch auf ihre Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit prüfen und insbesondere auf die Aufklärung von Widersprüchen hinwirken, die sich innerhalb der Begutachtung eines Sachverständigen wie auch zwischen den Äußerungen mehrerer Sachverständiger ergeben (BGH, Urteil vom 4. März 1997 - VI ZR 354/95 - NJW 1997, 1638 unter II 1 b). Dies gilt insbesondere bei der Beurteilung besonders schwieriger wissenschaftlicher Fragen (vgl. dazu schon BGH, Urteil vom 12. Januar 1962 - V ZR 179/60 - NJW 1962, 676 unter 1). Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter zudem besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (Senatsurteile vom 24. September 2008 - IV ZR 250/06 - veröff. bei juris Tz. 11 und vom 22. September 2004 - IV ZR 200/03 - VersR 2005, 676 unter II 2 b, jeweils m.w.N.).


Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner

Fundstelle: GesR 2014, 611