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Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Parteivernehmung des Arztes bei „Sechs-Augen-Gespräch“ (BGH, Urt. v. 14.05.2013).

Eine Parteivernehmung des Arztes von Amts wegen kommt auch bei einem „Sechs-Augen-Gespräch“ in Betracht, bei dem der Patient über einen Zeugen verfügt, der Arzt jedoch nicht.

Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner

Zwischen den Parteien eines Arzthaftungsprozesses war streitig, ob die Eltern der Klägerin die Gabe weiterer Blutkonserven abgelehnt hatten oder nicht. Für das fragliche Gespräch hatte die Patientenseite einen Zeugen, die Arztseite jedoch nicht. Das Berufungsgericht vernahm daraufhin - nach entsprechendem Hinweis - den Arzt gem. § 448 ZPO von Amts wegen als Partei, nicht jedoch die Klägerin, was vom Bundesgerichtshof nunmehr als verfahrensfehlerfrei gebilligt wurde.

Aus den Gründen:

 „Der Grundsatz der Waffengleichheit, der Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes erfordern gem. Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK, dass einer Partei, die - wie die Beklagten - für ein Vier-Augen-Gespräch keinen Zeugen hat, Gelegenheit gegeben wird, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen. Zu diesem Zweck ist die Partei gem. § 448 ZPO zu vernehmen oder gem. § 141 ZPO anzuhören (vgl. BGH, Beschl. v. 30.9.2004 - III ZR 369/03, juris Rz. 3; Urt. v. 27.9.2005 - XI ZR 216/04, FamRZ 2005, 2063 = MDR 2006, 285 = NJW-RR 2006, 61, 63, jeweils m.w.N.; BVerfG, NJW 2008, 2170, 2171). 

Diese Grundsätze gelten auch, wenn es sich - wie hier - um ein Sechs-Augen-Gespräch handelt, bei dem der allein zur Verfügung stehende Zeuge als Ehemann im Lager der Prozessgegnerin steht.

Die Entscheidung über die Vernehmung einer Partei nach § 448 ZPO obliegt dem Ermessen des Tatrichters und ist nur darauf nachprüfbar, ob die rechtlichen Voraussetzungen verkannt worden sind oder das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist. Dass bei der vorliegenden Konstellation der einen Partei ein Zeuge zur Seite steht, während die Gegenseite sich auf keinen Zeugen stützen kann, stellt eine Benachteiligung dar, die im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 448 ZPO berücksichtigt werden kann, zumal das Gericht einer Parteianhörung der benachteiligten Partei gem. § 141 ZPO die gleiche Bedeutung wie einer Aussage bei einer Vernehmung zumessen kann (BGH, Urt. v. 16.7.1998 - I ZR 32/96, MDR 1999, 699 = VersR 1999, 994, 995; Beschl. v. 25.9.2003 - III ZR 384/02, MDR 2004, 227 = FamRZ 2004, 21 = NJW 2003, 3636). 

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war es ohne einen - im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorliegenden - Antrag der Klägerin nicht erforderlich, diese nach der Vernehmung des Beklagten zu 1) ebenfalls persönlich anzuhören. Der Klägerin stand nämlich ihr Ehemann als Zeuge zur Verfügung. Dieser war nach der Aussage des Beklagten zu 1) bei dem Aufklärungsgespräch dabei.“


Fundstelle: BGH - VI ZR 325/11 (NJW 2013, 2601, 2602)