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Beiträge und Entscheidungen/ Arzthaftungsrecht

Substantiierung im selbstständigen Beweisverfahren (BGH, Beschl. v. 10.11.2015 – VI ZB 11/15)

Das geforderte minimale Maß an Substantiierung hinsichtlich der gem. § 487 Nr. 2 ZPO zu bezeichnenden Beweistatsachen ist jedenfalls dann nicht erreicht, wenn der Antragsteller in lediglich formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufstellt, ohne diese zu dem zu Grunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen.

Der Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens, betreffend eine ärztliche Behandlung, wurde als unzulässig zurückgewiesen worden, die dagegen erhobene sofortige Beschwerde der Antragstellerin wurde ebenfalls zurückgewiesen und die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

"Es kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens im vorliegenden Fall gem. § 485 ZPO statthaft ist. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass der auf ein selbstständiges Beweisverfahren gerichtete Antrag jedenfalls deshalb unzulässig ist, weil die Antragstellerin die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, nicht bezeichnet hat, § 487 Nr. 2 ZPO.

In einem selbstständigen Beweisverfahren bestimmt der Antragsteller durch seinen Antrag auf Einleitung dieses Verfahrens den Gegenstand der Beweisaufnahme und die Beweismittel in eigener Verantwortung. Die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, bestimmen den Umfang der Beweisergebnisse, die nach § 493 ZPO später vor dem Prozessgericht verwertet werden können.

Auch wenn man berücksichtigt, dass sich aus dem besonderen Charakter des selbstständigen Beweisverfahrens und dem mit ihm verfolgten Zweck, einen Rechtsstreit zu vermeiden, möglicherweise niedrigere Anforderungen an die Darlegungslast ergeben und deshalb die Angabe der Beweistatsachen in groben Zügen ausreichen soll, ist jedenfalls ein Minimum an Substantiierung in Bezug auf die Beweistatsachen zu fordern. Nur so ist der Verfahrensgegenstand zweifelsfrei abgrenzbar und hat der Sachverständige eine Grundlage für die ihm übertragene Tätigkeit. Daher sind die Beweistatsachen i.S.v. § 487 Nr. 2 ZPO jedenfalls dann nicht ausreichend bezeichnet, wenn der Antragsteller in lediglich formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufstellt, ohne diese zu dem zu Grunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen.

Die Bezugnahme auf die dem Antrag beigefügten umfangreichen Krankenunterlagen reicht für die geforderte Substantiierung nicht aus. Anlagen können nur der Erläuterung des schriftsätzlichen Vorbringens oder dem urkundlichen Beweis von Behauptungen dienen. Ersetzen können Anlagen schriftsätzliches Vorbringen nicht. Das Beschwerdegericht war insbesondere nicht gehalten, die in sieben Anlagebänden enthaltenen Behandlungsunterlagen daraufhin durchzusehen, ob sich ihnen ausreichende Beweistatsachen entnehmen lassen.

Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass das geforderte minimale Maß an Substantiierung hinsichtlich der gem. § 487 Nr. 2 ZPO anzugebenden Beweistatsachen vorliegend nicht erreicht ist. Die Antragstellerin hat noch nicht einmal den Versuch unternommen, die ihr bekannte Krankengeschichte unter Zuhilfenahme der Krankenunterlagen konkret darzustellen und auf dieser Grundlage bestimmte Beweistatsachen zu bezeichnen. Die formelhaften Behauptungen der Antragstellerin sind daher zur Abgrenzung des Verfahrensgegenstandes insgesamt nicht geeignet.
Die … Beweisfragen bezeichnen keine Beweistatsachen i.S.v. § 487 Nr. 2 ZPO, sondern zielen auf eine umfassende Überprüfung der Krankengeschichte der Antragstellerin, durch die der maßgebliche Sachverhalt erst ermittelt werden soll."

Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner

Fundstelle: GesR 2016, 86 ff.