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Allgemeine Haftungsfragen

Anscheinsbeweis bei Ablösung von Gebäudeteilen infolge eines Orkans (LG Flensburg v. 29.04.2016)

Lösen sich Gebäudeteile infolge von Witterungseinwirkungen, besteht ein Anscheinsbeweis dafür, dass das Gebäude entweder fehlerhaft errichtet oder mangelhaft unterhalten worden ist. Eine Ausnahme besteht nur bei außergewöhnlichen Naturereignissen, mit denen erfahrungsgemäß nicht zu rechnen ist.


Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

Die Versicherung, auf die der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 86 Abs.1 S.1 VVG übergegangenen ist, macht diesen im Wege des Regresses gegenüber dem Eigentümer des Gebäudes geltend, von welchem sich ein Ziegel vom Dach gelöst und zu einer Sachbeschädigung bei ihrem Versicherungsnehmer geführt hatte.

Das Landgericht führt zunächst aus, dass die in Rede stehende Anspruchsgrundlage des § 836 Abs. 1 S. 1 BGB einen Schadensersatzanspruch gewährt, wenn durch die Ablösung von Teilen eines Gebäudes eine Sache beschädigt wird, sofern die Ablösung Folge einer fehlerhaften Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung des Gebäudes ist. Diese Voraussetzungen lägen vor, da der insoweit beweisbelasteten Klägerin der Beweis des ersten Anscheins zugute komme.

Aus den Gründen:

"Da ein Gebäude mit seinen sämtlichen Einrichtungen der Witterung standhalten muss, beweist nach der Lebenserfahrung die Loslösung von Gebäudeteilen infolge von Witterungseinwirkung grundsätzlich, dass die Anlage entweder fehlerhaft errichtet oder mangelhaft unterhalten war. Das gilt nur dann nicht, wenn ein außergewöhnliches Naturereignis vorliegt, mit dem erfahrungsgemäß nicht zu rechnen ist und dem auch ein fehlerfrei errichtetes oder mit der erforderlichen Sorgfalt unterhaltenes Werk nicht standzuhalten vermag. (…) Weil ein Hausbesitzer auch ungewöhnliche, aber mögliche Sturmstärken in seine Betrachtung einbeziehen und entsprechende Vorsorge für die Festigkeit der Gebäudeteile treffen muss, kann dieser Anscheinsbeweis in der Regel nicht dadurch erschüttert werden, dass das Schadensereignis durch eine besonders starke Sturmbö verursacht worden sei. Dies gilt auch in dem Fall, dass es sich um einen Orkan handelt (…). Von einem außergewöhnlichen Naturereignis kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Windgeschwindigkeiten eine Größe erreicht haben, die in 50 bis 100 Jahren nur einmal auftreten."

Fundstelle: LG Flensburg vom 29.04.2016 - 1 S 63/15 = VersR 2017, 236