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Allgemeine Haftungsfragen

Keine Mängelrüge per E-Mail (OLG Frankfurt a.M. vom 30.04.2012)

Eine Mangelrüge per E-Mail erfüllt nicht das Schriftformerfordernis des § 13 V Nr. 1 S. 2 VOB/B, sofern nicht eine qualifizierte elektronische Signatur vorliegt. Mit einer E-Mail kann deshalb die Verjährungsfrist für Mängel nicht wirksam verlängert werden.

Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

Der Entscheidung des OLG Frankfurt lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Parteien hatten unter Einbeziehung der VOB/B einen Werkvertrag geschlossen. Wegen mangelhafter Leistung verlangt der Auftraggeber vom Auftragnehmer nach Abnahme einen Kostenvorschuss für die Beseitigung der Mängel. Die Mängel hatte der Auftraggeber per E-Mail dem Auftragnehmer angezeigt. Nach Auffassung des OLG Frankfurt war die Klageforderung verjährt, da eine Mängelanzeige per E-Mail nicht dem Schriftformerfordernis des § 13 V Nr. 1 S. 2 VOB/B entspricht. Die E-Mail war daher nicht geeignet, die verjährungsverlängernde Wirkung des § 13 V Nr. 1 S. 2 VOB/B auszulösen.

Aus den Gründen:

„Nach § 13 V Nr. 1 S. 2 VOB/B hat nur die schriftliche ­Mängelanzeige eine verjährungsverlängernde Wirkung. Das E-Mail-Schreiben vom 08.03.2009 genügt dem Schriftformerfordernis nicht. Nach § 126 I BGB verlangt die Einhaltung der Schriftform, dass die Mängelanzeige von dem Anzeigenden eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden muss. Diese Form kann nach § 126 III durch die in § 126 a BGB geregelte elektronische Form ersetzt werden. Auch diesem Formerfordernis genügt das E-Mail-Schreiben vom 08.03.2009 nicht, weil es an einer qualifizierten elektronischen Signatur fehlt.

Entgegen der Auffassung des Kl. gilt § 126 BGB auch für das Schriftformerfordernis der VOB. Durch die Vereinbarung der VOB/B werden die gesetzlichen Bestimmungen des BGB, insbesondere die Regelungen über die Rechtsgeschäfte nach §§ 104 – 185 BGB, nicht abbedungen. Die VOB baut vielmehr auf der Grundlage der Vorschriften des BGB auf und ändert bzw. ergänzt diese lediglich entsprechend der Interessenlage der Parteien. (…)

Soweit der Kl. meint, das Schriftformerfordernis des § 13 V Nr. 1 S. 2 VOB/B entspreche dem des § 127 BGB, ergibt sich daraus nichts anderes, da diese Vorschrift keineswegs die Übermittlung per E-Mail unabhängig von den Voraussetzungen des § 126 a BGB ermöglicht, wie sich unschwer aus § 127 III BGB entnehmen lässt. (…)

Die Berufung der Bekl. auf den Eintritt der Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich. Die Erhebung der Verjährungseinrede ist nur dann unbeachtlich, wenn sie gegen das Verbot unzulässiger Rechtsausübung verstößt. Dabei ist indes auch im Verjährungsrecht bei Anwendung des § 242 BGB ein strenger Maßstab anzulegen. Die Verjährungseinrede ist aus diesem Grund nicht schon deshalb missbräuchlich, weil der Gläubiger nicht mit der Erhebung der Verjährungseinrede gerechnet hat. Vielmehr kann der Schuldner grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob und gegebenenfalls wann er die Verjährungseinrede erheben will. Vorliegend hat die Bekl. weder dem Kl. Anlass gegeben anzunehmen, es gelte eine längere Verjährungsfrist, noch hat die Bekl. den Kl. von der rechtszeitigen Geltendmachung seines Gewährleistungsanspruchs abgehalten.“

Bei einem Werkvertrag unter Einbezug der VOB/B hat der Auftraggeber, wenn er Mängel am Gewerk des Auftragnehmers feststellt, darauf zu achten, dass er die Mängel dem Schriftformerfordernis des § 13 V Nr. 1 S. 2 VOB/B entsprechend anzeigt. Eine Mängelanzeige per E-Mail ist hierfür - solange nicht eine qualifizierte elektronische Signatur vorliegt - nicht ausreichend. Für den Auftraggeber besteht damit die Gefahr, dass seine Gewährleistungsansprüche verjähren, wenn er sich darauf verlässt, dass seine Mängelanzeige per E-Mail die verlängerte Gewährleistungsfrist des § 13 V Nr. 1 S. 2 VOB/B auslösen würde.


Fundstelle: OLG Frankfurt a.M., Hinweisbeschluss vom 30.04.2012 - Az. 4 U 269/12