Allgemeine Haftungsfragen
Kumulationsverbot bei Sicherheiten im Bauvertrag (BGH vom 22.01.2015)Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)
Die klagende Auftraggeberin nimmt
die Beklagte aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf Zahlung in Anspruch.
Die Klägerin beauftragte die Auftragnehmerin unter Einbezug der VOB/B und
weiterer Allgemeiner Geschäftsbedingungen (BVB/ZVB) mit der Errichtung einer Flutlichtanlage
in einem Stadion. In den Vertragsunterlagen ist vereinbart, dass die
Auftragnehmerin eine Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 5 % der Auftragssumme zu
stellen hat. Nach Empfang der Schlusszahlung und
Erfüllung sämtlicher bis dahin erhobener Ansprüche ist diese
Vertragserfüllungsbürgschaft in eine Gewährleistungsbürgschaft i.H.v. 3 % der
Abrechnungssumme umzuwandeln. Die Auftraggeberin nimmt den Bürgen aus der
Vertragserfüllungsbürgschaft in Anspruch. Vor dem BGH dringt sie damit nicht
durch.
Aus den Gründen:
"Die Beklagte kann der
Inanspruchnahme aus der von ihr übernommenen Vertragserfüllungsbürgschaft mit
Erfolg die Einrede nach § 768 Abs. 1 Satz 1, 821 BGB, halten, die
Auftragnehmerin habe die Bürgschaft ohne rechtlichen Grund gestellt. Die der
Bürgschaft zugrunde liegende Sicherungsabrede ist unwirksam. (…)
[D]ie der Vertragserfüllungsbürgschaft zugrunde liegende Sicherungsabrede in Nr. 6.1 BVB ist unwirksam, weil sie in Verbindung mit Nr. 34.6 ZVB und im Zusammenwirken mit Nr. 6.2 BVB eine Übersicherung des Auftraggebers für Gewährleistungsansprüche zur Folge hat, die ihm für den nach der Abnahme der Werkleistung liegenden Zeitraum zustehen können. Dies benachteiligt den Auftragnehmer im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG unangemessen. (…)
Nach den von der Klägerin gestellten Vertragsbestimmungen hat der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme zu stellen, die nicht nur Vertragserfüllungs- und Überzahlungsansprüche, sondern auch Gewährleistungsansprüche absichert. (…)
Das von der Klägerin gestellte Klauselwerk führt mit diesem Inhalt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers, weil er für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit von 8 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme leisten muss. Das ist durch das Sicherungsinteresse des Auftraggebers nicht mehr gedeckt. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers vor, wenn die vom Auftraggeber gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen dazu führen, dass der Auftragnehmer für einen jedenfalls erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus für mögliche Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers eine Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 7 % der Auftragssumme zu leisten hat. (…) Die hier in Rede stehende Sicherungsabrede führt für einen unter Umständen erheblichen Zeitraum nach der Abnahme der Werkleistung zu einer Sicherung des Auftraggebers im Umfang von 8 %. (…) Hierdurch wird der Auftragnehmer unangemessen benachteiligt mit der Folge, dass die Sicherungsabrede gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist.“
Fundstelle: BGH, Urteil vom 22.01.2015 - VII ZR 120/14 = BeckRS 2015, 02243