Allgemeine Haftungsfragen
Leistungsverweigerungsrecht nach Verjährung der Mängelansprüche (BGH vom 05.11.2015)Der Besteller kann wegen eines Mangels der Werkleistung ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Unternehmer nach Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche gem. § 215 BGB geltend machen, wenn dieser Mangel bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist in Erscheinung getreten ist und daher ein darauf gestütztes Leistungsverweigerungsrecht in nicht verjährter Zeit geltend gemacht werden konnte.
Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)
Der beklagte Auftraggeber beauftragt die Klägerin mit den
Bauarbeiten für den Neubau eines Büros mit einer Lagerhalle; beauftragt sind
auch Pflasterarbeiten. Am 16.10.2008 werden die Arbeiten abgenommen. Im
Anschluss nimmt die Klägerin den Beklagten auf Werklohn in Anspruch. Erstmals
am 11.11.2013, nach Ablauf der vereinbarten fünfjährigen Gewährleistungsfrist,
zeigt die Beklagte Mängel der Pflasterfläche an und begründet hiermit ein
Zurückbehaltungsrecht in Höhe der Mängelbeseitigungskosten. Das OLG Düsseldorf
verurteilt die Beklagte zur Zahlung von Werklohn mit der Begründung, dass das
Leistungsverweigerungsrecht ausgeschlossen sei, da es erst nach Vollendung der
Verjährung der Gewährleistungsansprüche geltend gemacht worden sei.
Der BGH hebt das Urteil auf. Entscheidend sei, dass das
Leistungsverweigerungsrecht in unverjährter Zeit bestanden habe und ausgeübt
werden konnte; Voraussetzung hierfür sei, dass der Mangel, auf den das
Leistungsverweigerungsrecht gestützt wird, vor Ablauf der Verjährungsfrist der
Mängelansprüche in Erscheinung getreten ist. Es komme nicht darauf an, dass die
Beklagte das Leistungsverweigerungsrecht vor Eintritt der Verjährung auch
tatsächlich geltend gemacht hat.
Aus den Gründen:
"Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann das mit Schriftsatz der Beklagten
vom 11. November 2013 erstmals geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht,
gestützt auf den Mangel "Wölbung des Pflasters", nicht abgelehnt
werden. Der Besteller kann wegen eines Mangels der Werkleistung ein Leistungsverweigerungsrecht
gegenüber dem Unternehmer nach Eintritt der Verjährung der Mängelansprüche
gemäß § 215 BGB geltend machen, wenn dieser Mangel
bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist in Erscheinung getreten ist und daher
ein darauf gestütztes Leistungsverweigerungsrecht in nicht verjährter Zeit
geltend gemacht werden konnte. Nicht erforderlich ist, dass der Besteller
bereits vor Eintritt der Verjährung seiner Mängelansprüche ein Leistungsverweigerungsrecht,
gestützt auf diesen Mangel, geltend gemacht hat. (…)
Nach dem
Wortlaut der Vorschrift und dem mit ihr verfolgten Zweck ist vielmehr
ausreichend, dass das Leistungsverweigerungsrecht bereits in nicht verjährter
Zeit bestand und ausgeübt werden konnte. Dies setzt voraus, dass der Mangel,
auf den das Leistungsverweigerungsrecht gestützt wird, bereits vor Ablauf der
Verjährungsfrist der Mängelansprüche in Erscheinung getreten ist und daher vor
Ablauf der Verjährungsfrist ein darauf gestütztes Leistungsverweigerungsrecht
geltend gemacht werden konnte (…). Denn nur in diesem Fall darf sich der
Besteller im Hinblick auf die dem Unternehmer zustehende Werklohnforderung
wegen einer ihm zustehenden Gegenforderung als hinreichend gesichert ansehen. (…)
Eine teleologische Reduktion der Vorschrift dahingehend, dass der Besteller sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht nach Ablauf der Verjährungsfrist nur dann berufen kann, wenn er dieses in nicht verjährter Zeit auch tatsächlich geltend gemacht hat, kommt nicht in Betracht."
Fundstelle: BGH, Urteil vom 05.11.2015 - VI ZR 144/14 = NJW 2016, 52