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Allgemeine Haftungsfragen

Mangelhaftigkeit infolge Missachtung einer vereinbarten technischen Regel (OLG München vom 05.06.2013)

Eine Bodenplatte, die vertragsgemäß 15 cm dick sein soll, ist insofern mangelfrei, wenn sie diese Dicke erreicht. Ein Mangel kann angesichts dieser konkreten Beschaffenheitsvereinbarung nicht darauf gestützt werden, dass sich die Bodenplatte mit dieser Stärke nicht für den erkennbaren Verwendungszweck des Auftraggebers – hier: das Befahren mit schweren Fahrzeugen zum Transport großer Ausstellungsstücke – eignet.
Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Mängelgewährleistungsansprüche aus einem Bauvertrag über die Errichtung einer Ausstellungshalle für den Betrieb des Klägers. Nach den vertraglichen Regelungen schuldet die Beklagte eine Bodenplatte mit einer Dicke von 15 cm. Nach den Feststellungen des Sachverständigen weist die von der Beklagten errichtete Bodenplatte eine Durchschnittshöhe von 14,3 cm aus.

Der Kläger rügt die Ausführung der Betonoberfläche des Hallenbodens als mangelhaft und forderte die Beklagte zur Mängelbeseitigung auf. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf Ersatz der Mängelkostenbeseitigungskosten darauf, dass die Beklagte auf Grund ihrer Spezialisierung in der Planung von Hallen und wegen der ihr bekannten Nutzung der Halle als Ausstellungshalle einer Schreinerei erkennen können und müssen, dass die Halle auch mit sog. Flurförderfahrzeugen befahren werden solle. Die Beklagte treffe daher die Verpflichtung, zumindest die Dicke der Bodenplatte zu hinterfragen. Die Beklagte weist die Mängelrüge zurück, u.a. mit dem Argument der Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten. Das OLG folgt der Rechtsauffassung des Klägers nicht.

Aus den Gründen:

Mit dem Erstgericht geht auch der Senat davon aus, dass die Bekl. entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen lediglich eine Bodenplatte mit einer Dicke von 15 cm schuldete. Die Auffassung des Kl., die Bekl. habe auf Grund ihrer Spezialisierung in der Planung von Hallen und wegen der ihr bekannten Nutzung der Halle als Ausstellungshalle einer Schreinerei erkennen können und müssen, dass die Halle auch mit Flurförderfahrzeugen befahren werden solle, und daher die Verpflichtung gehabt, zumindest die Dicke der Bodenplatte zu hinterfragen, begegnet durchgreifenden rechtlichen und tatsächlichen Bedenken.

Gemäß § 633 II 1 BGB ist ein Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Nur sofern keine Beschaffenheit vereinbart ist, gilt für die Beurteilung der Mangelfreiheit § 633 II 2 BGB: Danach ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte bzw. sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und die bei Werken der gleichen Art übliche Beschaffenheit aufweist, die der Besteller nach der Art des Werks erwarten kann. Im vorliegenden Fall war zwischen den Parteien vereinbart, dass die Bodenplatte eine Stärke von 15 cm aufweisen sollte. Hierbei handelte es sich um die vereinbarte Beschaffenheit des Werks i. S. des § 633 II 1 BGB. Für die Anwendbarkeit des § 633 II 2 BGB bleibt hier demnach schon auf Grund der ausdrücklichen Vereinbarung einer bestimmten Beschaffenheit – hier Dicke – kein Raum.

Dem Kl. kann daher nicht in seiner Argumentation gefolgt werden, die Bekl. habe hier die Nutzung der Halle in Ansatz bringen müssen und aus der Art des klägerischen Gewerbes, der Größe der Hallentore oder anderer Umstände antezipieren müssen, dass die Halle mit schweren Fahrzeugen zum Einbringen von Ausstellungsstücken befahren werden sollte. Dies wäre der Fall gewesen, wenn eine bestimmte Dicke der Bodenplatte nicht vertraglich vereinbart gewesen wäre und die Bekl. selbst die Bodenplatte hätte dimensionieren müssen. In diesem Fall hätte ihr oblegen, zu hinterfragen, welche Art der Nutzung der Kl. genau plant, und danach die Dicke der Platte festzulegen. So liegt der Fall hier aber nicht. Vielmehr war die Dicke der Bodenplatte durch den Planer bzw. Statiker des Kl. festgelegt worden. (…)

Die Bekl. schuldete daher nur die Errichtung einer Bodenplatte mit einer Dicke von 15 cm. Unstreitig hat sie diese Vorgabe jedoch nicht erfüllt. Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen hat die Bodenplatte lediglich eine Durchschnittshöhe von 14,3 cm. Insoweit sind die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses unterschritten; das LG ist somit zutreffend von einem Mangel der Leistung der Bekl. in diesem Punkt ausgegangen.

In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Gericht jedoch die Einstandspflicht der Bekl. für die Mängelbeseitigung in diesem Punkt wegen Unverhältnismäßigkeit abgelehnt und dem Kl. lediglich einen Minderungsbetrag von 725 Euro auf Grund der zu gering eingebrachten Betonmenge zugesprochen. Denn nach den Darstellungen des Sachverständigen könnte der Mangel an der Bodenplatte lediglich durch Aufbringen einer zusätzlichen Betonschicht oder durch den kompletten Austausch der Platte beseitigt werden. Für die erste Variante hat der Sachverständige Kosten in Höhe von 80 000 Euro bis 120 000 Euro geschätzt, für den kompletten Austausch Kosten in Höhe von 80 000 Euro. Nach den Grundgedanken der §§ 635 III, 275 II BGB i. V. § 13 VI VOB/B, die auch für den Schadensersatzanspruch gem. § 4 Nr. 7 VOB/B entsprechend anwendbar sind, wären Aufwendungen in diesem Umfang in der Gesamtschau der Vertragsgestaltung zwischen den Parteien und unter Berücksichtigung der Interessen des Kl. für die Bekl. unverhältnismäßig. Zu Recht hat das LG hierzu ausgeführt, dass bei der Bewertung im konkreten Fall berücksichtigt werden muss, dass sich aus der Erhöhung der durchschnittlichen Dicke der Bodenplatte auf 15 cm kein technischer Mehrwert für den Kl. ergibt. Insbesondere kann durch die Erhöhung auf die vertraglich geschuldeten 15 cm die vom Kl. eigentlich beabsichtigte Nutzung – Befahrbarkeit mit Flurförderfahrzeugen – nicht erreicht werden. Mit dem Erstgericht ist daher auch der Senat der Überzeugung, dass die Bekl. dem Schadensersatzverlangen des Kl. in diesem Punkt die Unverhältnismäßigkeit der Kosten entgegenhalten kann. Der Kl. kann mithin im Wege des Schadensersatzes nur die Mindermenge des Betons, hier nach den Sachverständigenangaben 725 Euro, ersetzt verlangen.

Fundstelle: OLG München, Urteil  vom 5. 6. 2013 – 13 U 1425/12 Bau = NJW 2013, 3105