Allgemeine Haftungsfragen
Nachtrag des Auftragnehmers bei unvollständiger Leistungsbeschreibung im Bauvertrag (BGH vom 21.03.2013)Sind erforderliche Angaben zu Bodenkontaminationen in der Leistungsbeschreibung des öffentlichen Auftraggebers nicht vorhanden, darf der Bieter/Auftragnehmer grundsätzlich davon ausgehen, dass ein schadstofffreier Boden auszuheben und zuentsorgen ist.
Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)
Die klagende Auftragnehmerin verlangt von dem beklagten Landkreis
eine zusätzliche (Nachtrags-)Vergütung für Tiefbauarbeiten mit der Begründung,
sie habe kontaminiertes Bodenmaterial (Chloridbelastung) ausheben und entsorgen
müssen. Die Ausschreibung des Auftraggebers hat keine Hinweise auf die
Bodenkontamination enthalten. Der Auftraggeber mein, dass der Auftragnehmer die
Bodenkontamination bei der Kalkulation hätte berücksichtigen müssen und lehnt einen
Nachtrag ab. Damit dringt er vor dem BGH nicht durch.
Aus den Gründen:
„Ein Bieter darf die Leistungsbeschreibung einer
öffentlichen Ausschreibung nach der VOB/A im Zweifelsfall so verstehen, dass
der Auftraggeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen
will (…). Danach sind die für die Ausführung der Leistung wesentlichen
Verhältnisse der Baustelle, wie z.B. Bodenverhältnisse, so zu beschreiben, dass
der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung
hinreichend beurteilen kann. Die "Hinweise für das Aufstellen der
Leistungsbeschreibung" in Abschnitt 0 der Allgemeinen Technischen
Vertragsbedingungen für Bauleistungen, DIN 18299 ff., sind zu beachten, § 9 Nr.
1 bis 3 VOB/A a.F. (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 67/11 …). Sowohl
nach DIN 18299 [Ausgabe 2000] Abschnitt 0.1.18 (ebenso DIN 18299 [Ausgabe 2006]
Abschnitt 0.1.20) als auch nach DIN 18300 [Ausgabe 2000 und Ausgabe 2006]
Abschnitt 0.2.3 ist in der Leistungsbeschreibung eine Schadstoffbelastung nach
den Erfordernissen des Einzelfalls anzugeben (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember
2011 - VII ZR 67/11 …). Die ausdrückliche Angabe einer Bodenkontamination ist
allerdings nicht in jedem Fall zwingend; sie kann unterbleiben, wenn sich aus
den gesamten Vertragsumständen klar ergibt, dass eine derartige Kontamination
vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 67/11 …). Denn in
solchen Fällen ist den in § 9 VOB/A a.F. zum Schutz des Bieters enthaltenen
Ausschreibungsgrundsätzen Genüge getan, weil dieser auch ohne Angaben in der Ausschreibung
eine ausreichende Kalkulationsgrundlage hat. (…)
Danach haben die Beklagten die betreffenden Bodenschichten
schadstofffrei ausgeschrieben. (…) Allein der Umstand, dass die Bieter - auch
wegen eventueller Kenntnisse vom Winterdienst auf der betreffenden Straße - mit
dem Vorliegen einer Chloridkontamination rechnen mussten, rechtfertigte es
nicht, von Angaben dazu in der Ausschreibung abzusehen. Angaben zu
Kontaminationen sind entbehrlich, wenn sich aus den gesamten Vertragsumständen
klar ergibt, dass der auszuhebende Boden kontaminiert ist. Ein derartiger Fall
liegt hier angesichts der vom Berufungsgericht übernommenen Ausführungen des
Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. K., wonach eine Salzbelastung in derartigen
Bodenschichten selten vorkommt (…), nicht vor. Ergibt sich eine
Schadstoffbelastung aus den gesamten Vertragsumständen nicht klar, sind Angaben
dazu nach Art und Umfang grundsätzlich erforderlich. DIN 18300 Abschnitt 0.2.3
dient gerade dazu, die bestehende Ungewissheit zu beseitigen und dem Bieter
eine ausreichende Kalkulationsgrundlage zu verschaffen.
Die Klägerin durfte davon ausgehen, dass sich die Beklagten
an die Ausschreibungsregeln halten. Sie durfte deshalb aus dem Umstand, dass
eine Schadstoffbelastung des Bodens nach Art und Umfang nicht angegeben war,
den Schluss ziehen, dass die Beklagten den Aushub schadstofffreien Bodens
ausgeschrieben hatten. Genauso war das Angebot der Klägerin zu verstehen, das
die Beklagten angenommen haben. Die Parteien haben danach den Aushub
schadstofffreien Bodens vereinbart.“
Fundstelle: BGH, Urteil vom 21.03.2013 - VII ZR 122/11