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Allgemeine Haftungsfragen

Rechtsprechungsänderung: Kein Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten! 
(BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/70)

 

Der BGH hat seine bisherige Rechtsprechung zum Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten aufgegeben. Nach der bisherigen Rechtsprechung bestanden für den Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, zwei Möglichkeiten, seinen Vermögensschaden zu bemessen: Zum einen konnte der Besteller seinen Schaden „nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen dergestalt berechnen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel“ ermittelt. Veräußert der Besteller beispielsweise die Sache, ohne den Mangel beseitigt zu haben, kann er den Schaden nach dem wegen des Mangels erzielten tatsächlichen Mindererlöses berechnen.

Zum anderen konnte der Besteller seinen Schaden auch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten berechnen; der BGH gewährte ihm – mit der Grenze der Unverhältnismäßigkeit, § 251 Abs. 2 S. 1 BGB – einen Zahlungsanspruch in dieser Höhe. Nach der bisherigen Argumentation des BGH war der Mangel des Werks selbst – unabhängig von dessen Beseitigung – der beim Besteller eingetretene Schaden, dessen Höhe sich aus den fiktiven Mängelbeseitigungskosten berechnet.

An dieser Rechtsprechung hält der BGH nicht weiter fest. Nunmehr billigt er dem Besteller, der den Mangel des Werks nicht beseitigen lässt, einen Anspruch unter dem Blickwinkel der Störung des werkvertraglichen Äquivalenzinteresses zu:

Die Feststellung eines hierin liegenden Vermögensschadens und seine Bemessung sind – wie im gesamten Schadensrecht (...) – aufgrund einer Wertung vorzunehmen. Diese hat sich am Leistungsinteresse des Bestellers zu orientieren (…).

Aus § 634 BGB folgt, dass sich der Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses des Bestellers, der das mangelhafte Werk behalten will, daran orientiert, ob er die Mängel beseitigen lässt oder nicht. Sieht der Besteller von der Mängelbeseitigung ab, kann er nach §§ 634 Nr. 3, 638 BGB als Ausgleich für das verletzte Leistungsinteresse die Vergütung mindern. Diese Wertungen sind bei der Bemessung des Schadens im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gem. §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB zu berücksichtigen. Denn der Besteller soll diesbezüglich durch die Wahl des – im Hinblick auf das Verschuldenserfordernis strengeren Voraussetzungen unterliegenden – Schadensersatzanspruchs nicht schlechter gestellt werden als im Fall der Geltendmachung des Rechts zur Minderung gem. § 634 Nr. 3, 638 BGB.

Die Berechnung des Schadens nimmt der BGH in der Weise vor, dass ausgehend vom vertraglich vereinbarten Werklohn „der Minderwert des Werks aufgrund des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird.“ Maßstab hierfür ist die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzinteresses:

Die von den Parteien durch den Werkvertrag zum Ausdruck gebrachte Bewertung des (mangelfreien) Werks in Höhe der Vergütung rechtfertigt es, bereits das Ausbleiben der vollständigen (mangelfreien) Gegenleistung mit der Folge der Störung des Äquivalenzinteresses – unabhängig von einer objektivierten Bewertung durch einen „Markt“ – als einen beim Besteller eingetretenen Vermögensschaden anzusehen.

Nach der nunmehr vom BGH vertretenen Auffassung ist der mangelbedingte Minderwert des Werks nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu schätzen, wobei von der Vergütung als Maximalwert auszugehen ist. Entgegen seiner früheren Rechtsprechung können die fiktiven Mängelbeseitigungskosten hierbei nicht als Maßstab dienen:

Dagegen kommt beispielsweise eine Schadensbemessung anhand der Vergütungsanteile in Betracht, die auf die mangelhafte Leistung entfallen (…). Ergeben sich die Vergütungsanteile nicht aus dem Vertrag, sind sie zu schätzen.

Ferner betont der BGH, dass sich für den VOB/B-Vertrag keine Besonderheiten ergeben und dem Besteller, der Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes aus §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB verlangt hat, grundsätzlich weiterhin ein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 BGB zusteht, so er den Mangel beseitigen will.


Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)


Fundstelle: BGH, Urteil vom 22.02.2018 - VII ZR 46/70