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Allgemeine Haftungsfragen

Unzumutbare Mängelbeseitigung (OLG München vom 24.04.2013)

Für den Auftragnehmer ist es unzumutbar, einen Mangel zu beseitigen, wenn der Erfolg der Mangelbeseitigung in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht. Zu berücksichtigen ist hierbei auf Seiten des Bestellers insbesondere dessen Leistungsinteresse, auf Seiten desUnternehmers neben dem erforderlichen Aufwand auch der Grad seines Verschuldens.

Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

Der Auftraggeber hatte den Auftragnehmer mit der Errichtung einer Halle beauftragt. Dieser errichtet die Halle 18 cm zu kurz. Der Auftraggeber verweigert die Zahlung der Werklohnforderung des Auftragnehmers und erklärt die Aufrechnung mit Gegenansprüchen (Kostenvorschuss, Schadensersatz). Der Mangel kann nur durch einen Komplettabriss der Halle mit anschließendem Neubau beseitigt werden. Mit Blick auf den dafü erforderlichen finanziellen Aufwand meint der Auftragnehmer, eine komplette Neuherstellung der Halle sei unzumutbar. Das OLG München gibt ihm Recht.

Aus den Gründen:

Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung besteht ein grobes Missverhältnis i. S. des § 275 Abs. 2 BGB, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Leistungsinteresse des Gläubigers hinter dem Interesse des Schuldners zurücktreten muss. Dies ist der Fall, wenn der Erfolg der Mangelbeseitigung in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht. Dabei ist auf Seiten des Bestellers insbesondere dessen Leistungsinteresse zu berücksichtigen, auf Seiten des Unternehmers namentlich der erforderliche Aufwand und der Grad seines Verschuldens (…).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Klägerin vorliegend die Beseitigung des Mangels „Verkürzung der Halle“ durch Abriss und Neuerrichtung wegen der Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigung verweigern. Bei dieser Bewertung sind einerseits die Kosten für Abriss und Wiederaufbau der Halle - ausweislich der Darstellungen des Sachverständigen D. ca. 68.500.- EUR - in Ansatz zu bringen. Andererseits ist zu berücksichtigen, welche Nachteile dem Beklagten unabhängig von den behebbaren statischen Mängeln aus der Verkürzung der Halle entstanden sind. (…)

Erfolglos beruft sich der Beklagte schließlich auf die Verkleinerung der Nutzfläche der Halle und die daraus folgende eingeschränkte Nutzbarkeit für das Abstellen von Maschinen. Das Erstgericht hat in diesem Punkt zu Recht dargestellt, dass dem Beklagten durch die Verkleinerung der Halle etwa 2,5 qm weniger Nutzfläche zur Verfügung stehen, als dies bei plangerechter Ausführung der Fall gewesen wäre. (…) Letztlich kommt es aber darauf gar nicht an, denn selbst unter Berücksichtigung einer weiteren von der Klägerin zu vertretenden Verkleinerung von 2 qm ergäbe sich lediglich eine Gesamtverkleinerung der Nutzfläche von 4,5 qm. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht geht auch der Senat davon aus, dass diese Verkleinerung im Verhältnis zur Gesamtfläche auch unter Berücksichtigung der Tatsache unerheblich ist, dass in die Halle schwere Maschinen eingebracht werden, die besonderen Platz zum Rangieren und Abstellen benötigen.

Nach alledem musste die Klägerin die Beseitigung des Mangels „Verkürzung der Halle“ durch Abriss und Neuerstellung der Halle nicht anbieten. (…)

Die Klägerin konnte daher gem. §§ 645 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Satz 1, 643 Satz 2 BGB für ihre Werkleistung einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen."
In der Praxis ist zu beachten, dass die Rechtsprechung bei der Beantwortung der Frage, ob eine Mängelbeseitigung unverhältnismäßig ist, einen strengen Maßstab anlegt.

Fundstelle: OLG München, Urteil vom 24.04.2013 - 13 U 1800/12