Menu

Allgemeine Haftungsfragen

Vergütung für das Vorhalten eines Baugerüsts bei Bauzeitverlängerung (BGH vom 11.04.2013)

Die VOB/B kann auch für Verträge vereinbart werden, die keine klassischen Bauverträge sind (hier: Gerüstbau- und vorhaltevertrag). Ein Auftraggeber kann daher vom Auftragnehmer Mehrkosten für das Vorhalten eines Baugerüsts bei Bauzeitverlängerung beanspruchen.

Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

Der Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Gerüstarbeiten und der Vorhaltung eines Gerüsts für den Umbau einer Schule. Vereinbart war, dass eine über die vereinbarte Einsatzzeit des Gerüsts hinausgehende Gebrauchsüberlassung mit Einheitspreisen für die entsprechenden Gerüstteile pro Woche vergütet wird. Ferner haben die Parteien die Geltung der VOB/B vereinbart. Nach Ablauf des vertraglich vereinbarten Endtermins zeigt sich, dass die Baumaßnahme noch nicht fertig gestellt ist. Die Klägerin baut das Gerüst dennoch ab und legt Schlussrechnung. Gegen den Restbetrag erklärt die beklagte Auftraggeberin die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen (Mehrkosten durch Beschaffung eines anderen Gerüsts). Die Klag ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Auch der BGH folgt dem Auftraggeber.

Aus den Gründen:

Der der Kl. zustehende Vergütungsanspruch ist durch die Aufrechnung der Bekl. erloschen. Die Kl. hat das Gerüst vertragswidrig abgebaut und der Bekl. dadurch einen Schaden zugefügt, der ihren Vergütungsanspruch übersteigt. (…)

Das BerGer. hat den Vertrag dahin ausgelegt, dass die Kl. die Vorhaltung des Gerüstes so lange schuldete, wie es für die Ausführung der Arbeiten am Schulgebäude benötigt wurde und die Parteien dafür eine Vergütung vereinbart haben, die nach Zeiteinheiten bemessen war. Das lässt Rechtsfehler nicht erkennen. (…)

Das BerGer. hat zutreffend erkannt, dass der Gerüstbau- und -vorhaltevertrag dem Zweck diente, die Bauarbeiten an dem Schulgebäude zu ermöglichen und dieser Zweck nur erfüllt werden konnte, wenn das Gerüst bis zum Ende der Bauarbeiten, für welche ein Gerüst benötigt wird, vorgehalten wird. Es hat daraus zutreffend den Schluss gezogen, dass das Gerüst nach dem Inhalt des Vertrags so lange vorgehalten werden musste, wie es die Bauarbeiten am Schulgebäude (hier: Schulergänzungsbau) erforderten. Diese Auslegung lässt Verstöße gegen anerkannte Auslegungsregeln nicht erkennen. Sie ist auch interessengerecht, denn die Bekl. hatte ein auch für die Kl. erkennbar nachhaltiges Interesse daran, dass diese vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung nicht berechtigt ist, das Gerüst schon zu einem Zeitpunkt abzubauen, in dem es noch benötigt wird, oder das weitere Vorhalten des Gerüstes von einer neuen Vereinbarung über die Vergütung abhängig zu machen. (…)

Darüber hinaus hat die Vereinbarung der Fertigstellungs- und Abbaufristen noch eine andere Bedeutung. Die Parteien haben für die Vorhaltung des Gerüstes über die Grundstandzeit hinaus nach Wochen bemessene Einheitspreise und zudem die Anwendung des § 2 Nr. 3 VOB/B vereinbart. Nach der gleichfalls nicht zu beanstandenden Auslegung des BerGer. ist die Kl. auf Grund dieser Vereinbarung berechtigt, bei einer Überschreitung des vertraglichen Zeitansatzes von über zehn Prozent eine Anpassung der Vergütung unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu verlangen. Der vertragliche Zeitansatz ergibt sich aus den Daten des Bauzeitenplans für den Abbau des Gerüstes. Die Kl. hat das nicht anders gesehen und für den Altbau eine verlängerte Standzeit entsprechend abgerechnet sowie zudem einen Mehrvergütungsanspruch auf dieser Grundlage für den Ergänzungsbau geltend gemacht. Die Rüge der Revision, § 2 Nr. 3 VOB/B sei nur bei Mengenveränderungen anwendbar, berücksichtigt nicht, dass die von den Parteien getroffene Einheitspreisvereinbarung im Vordersatz auch eine Zeiteinheit beinhaltet. (…)

Haben die Parteien vereinbart, dass das Gerüst so lange vorzuhalten ist, wie es benötigt wird, war die Kl. nicht berechtigt, es am 19. 7. 2010 abzubauen. Denn zu diesem Zeitpunkt war das Gerüst nach den Feststellungen des BerGer. für die Bauarbeiten noch erforderlich. (…)

Unerheblich ist nach allem, ob der von den Parteien geschlossene Vertrag über den Aufbau des Gerüstes und dessen Vorhaltung als Werkvertrag, Mietvertrag oder als Vertrag einzuordnen ist, der sowohl werkvertragliche als auch mietvertragliche Elemente aufweist. Denn die Frage, wie lange die Vorhaltung des Gerüstes geschuldet ist und welche Vergütung bzw. Miete für den Fall zu zahlen ist, dass eine vertraglich vorgesehene Zeit überschritten wird, ist unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Vertrags zu beantworten. Auch der Mietvertrag lässt eine Vereinbarung zu, nach der die Überlassung solange geschuldet wird, wie sie benötigt wird, und der Mieter eine Anpassung der Miete unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten verlangen kann, wenn der vertragliche Zeitansatz für die Überlassung um zehn Prozent überschritten wird.

Der BGH bestätigt mit dieser Entscheidung, dass Parteien eines Vertrages die Geltung der VOB/B vereinbaren können. Dies ist konsequent, da die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen wie der VOB/B nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit vom übereinstimmenden Parteiwillen abhängt – selbst wenn die VOB/B auf den Vertrag nicht passt bzw. sogar nicht sinnvoll sein mag.

Zu beachten ist jedoch die AGB-rechtliche Überprüfung der VOB/B-Klauseln, da einzelne Klauseln bei der Verwendung der VOB/B außerhalb von Bauverträgen unwirksam sein können (Bsp. überraschendeKlauseln). Für § 2 Abs. 3 VOB/B hat der BGH dies indes nicht angenommen.

Fundstelle: BGH, Urteil vom 11.04.2013 - VII ZR 201/12 = NJW 2013, 1670