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Allgemeine Haftungsfragen

Verhandeln über Mängel - keine Verjährungshemmung für Vergütung (OLG Stuttgart vom 26.03.2013)

Ein Verhandeln über eine Mängelbeseitigung stellt nicht ohne Weiteres auch ein verjährungshemmendes Verhandeln über den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers dar, weil die Zielrichtung der Verhandlungen insoweit unterschiedlich ist und verschiedene Gläubigerinteressen betrifft.

Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

Nach Abnahme der zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber vereinbarten Bauleistungen lehnt der Auftraggeber die Bezahlung der Schlussrechnung wegen kurz nach der Abnahme aufgetretener Mängel ab. Die Ursachen der Mängel sind zwischen den Parteien strittig, verhandeln die Parteien unter Hinzuziehung von Sachverständigen. Nach Beseitigung der Mängel erhebt der Auftraggeber gegen das Zahlungsverlangen des Auftragnehmers die Einrede der Verjährung, da die Regelverjährungsfrist für den Vergütungsanspruch tatsächlich abgelaufen ist. Der klagende Auftragnehmer macht geltend, er habe seinen Werklohn deshalb nicht eingefordert, weil dem Auftraggeber wegen der vorliegenden Mängel ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden habe; sein Anspruch sei daher nicht durchsetzbar gewesen, weswegen auch die Verjährungsfrist nicht begonnen habe. Ferner hätten die Verhandlungen über die Mängelansprüche nicht nur die Verjährung dieser Ansprüche, sondern auch die Verjährung des Vergütungsanspruchs gehemmt. Damit setzt sich der Auftragnehmer vor dem OLG Stuttgart nicht durch.

Aus den Gründen:

Gemäß § 203 BGB (…) wird der Lauf der Verjährungsfrist gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben. Die von der Hemmung gemäß § 203 BGB erfassten Ansprüche werden durch den Gegenstand der Verhandlungen bestimmt. Dazu bedarf es gegebenenfalls einer Auslegung der Verhandlungserklärungen (…). Der Anspruch im Sinn des § 203 BGB ist nicht im Sinn einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage, sondern weiter im Sinne eines aus einem Sachverhalt hergeleiteten Begehrens auf Befriedigung eines Interesses zu verstehen (…). Der Verhandlungsgegenstand erstreckt sich im Zweifel auf alle Ansprüche, die jener Lebenssachverhalt hervorbringt, der den Verhandlungen zugrunde liegt, wenn und soweit diese Ansprüche auf ein vergleichbares Gläubigerinteresse gerichtet sind (…). Dabei braucht das Begehren nicht besonders beziffert oder konkretisiert zu sein.

Danach stellt ein Verhandeln über eine Mängelbeseitigung nicht ohne Weiteres auch ein Verhandeln über den Vergütungsanspruch der Klägerin dar, weil die Zielrichtung der Verhandlungen insoweit unterschiedlich ist und verschiedene Gläubigerinteressen betrifft. Bei den Mängelansprüchen des Auftraggebers handelt es sich um eigenständige, von der Vergütung des Auftragnehmers nach Abnahme grundsätzlich unabhängige Ansprüche. Sie können lediglich im Hinblick auf die Vergütungsansprüche des Auftragnehmers ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Absatz 3 BGB auslösen, das aber den Verjährungslauf nicht beeinflusst. (…)

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich die Beklagte daraufhin auf einen Meinungsaustausch über den Vergütungsanspruch der Klägerin oder dessen tatsächlichen Grundlagen eingelassen hätte. (…)

Die Verhandlungen richteten sich damit allein auf ein Gläubigerinteresse der Beklagten und nicht auf dasVergütungsinteresse der Klägerin."

Fundstelle: OLG Stuttgart, Urteil vom 26.03.2013 - 10 U 146/12