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Allgemeine Haftungsfragen

Zur Verkehrssicherungspflicht des Fahrers eines mobilen Baukranes und zur Delegation von Verkehrssicherungspflichten des Bauherrn auf einen fachkundigen Unternehmer (OLG Karlsruhe vom 30.01.2018)

 

Die Klägerin, die Eigentümerin eines umspannt Werks ist, beauftragt die Beklagte mit Kranarbeiten zur Errichtung eines Gebäudes. Mit den erforderlichen Arbeiten für die Sicherheit und für die Unfallverhütung auf der Baustelle beauftragte sie einen Generalunternehmer, der dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten ist.

Die beiden Mitarbeiter der Beklagten setzen den Bagger auf der Baustelle zurück; hierbei bricht die Abdeckung eines Kabelkanals, so dass die im Kabelkanal verlegte 20.000-Volt-Starkstromleitung beschädigt wird. In den umliegenden Gemeinden kommt es zu einem zeitweisen Stromausfall.

Die Beklagte akzeptiert im Prozess vor dem Landgericht in Haftungsquote von 50 % und verteidigt sich, neben der Aufrechnung mit einer (vermeintlich) Gegenforderung insbesondere damit, dass die Klägerin ein Mitverschulden treffe, da sie ihre Verkehrssicherungspflicht auf der Baustelle verletzt habe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin hatte überwiegend Erfolg.

Das Oberlandesgerichts beurteilt, dass neben einer Haftung der Beklagten aus § 7 Abs. 1 StVG der Klägerin insbesondere auch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 BGB zusteht. Denn die entsprechend erfahrenen Mitarbeiter der Beklagten haben den Untergrund, den Sie befragen wollten, unstreitig nicht geprüft, so dass im Hinblick auf einen Verstoß gegen die Unfallverhütungsvorschrift des § 40 Abs. 1 UVV Krane eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliege; für eine mögliche Entlastung nach § 831 Absatz ein S. 2 BGB trug die Beklagte nichts vor:

Die Mitarbeiter der Bekl. haben den Schaden der Kl. fahrlässig verursacht; das Verschulden der Mitarbeiter ist erheblich. (…) Die [Mitarbeiter der Beklagten ] haben nach ihren eigenen Angaben den Untergrund, den sie befahren wollten, nicht geprüft. Damit liegt ein Verstoß gegen die maßgebliche Unfallverhütungsvorschrift vor (§ 40 Abs. 1 der UVV Krane, BGV D 6 i. d. F. v. 1. 12. 1974). Dass ein schweres Fahrzeug wie der von der Bekl. eingesetzte mobile Kran besondere Anforderungen an den Untergrund stellt, liegt auf der Hand. Das muss in besonderem Maße dann gelten, wenn das Fahrzeug außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs bewegt wird, also auf einem Gelände, bei dem eine ausreichende Tragfähigkeit des Untergrundes nicht von vornherein sichergestellt ist. Die [Mitarbeiter der Beklagten ] haben nach ihren Angaben weder den zu befahrenden Untergrund selbst geprüft, noch sich durch eine für sie zuverlässige Feststellung eines Dritten (…) über den Untergrund vergewissert.

Die Kürzung des Schadensersatzanspruchs wegen eines Mitverschuldens der Klägerin lehnt das OLG ab. Da die Klägerin einen entsprechend erfahrenen und sachkundigen Generalunternehmer (auch) mit der Verkehrssicherung der Baustelle beauftragt hat, kann ihr kein entsprechender Vorwurf gemacht werden:

Im Rahmen von Verkehrssicherungspflichten ist anerkannt, dass diese von einem Grundstückseigentümer grundsätzlich delegiert werden können. Eine Delegation bedarf einer klaren Absprache; außerdem muss sich der Übertragende vergewissern, dass die Übertragung eine zuverlässige Sicherung der Gefahrenquelle garantiert (...). Die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf einen Bauunternehmer ist insbesondere bei der Durchführung von Arbeiten auf einem Grundstück üblich, weil der Bauunternehmer, der die Arbeiten durchführt – oder an Subunternehmer überträgt – die Gefahren i. d. R. besser beherrschen kann, als der Grundstückseigentümer, der nur begrenzt auf den Bauablauf Einfluss nimmt. (…).

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Kl. durch die vertraglichen Vereinbarungen mit der Streithelferin alles getan, um nicht nur Dritte, sondern auch ihre eigenen Rechtsgüter, vor möglichen Gefahren durch die Kabelkanäle zu schützen. Die Kl. hat der Streithelferin sämtliche Aufgaben im Zusammenhang mit Sicherheitsfragen auf dem Grundstück übertragen. Die Streithelferin war aufgrund ihrer Erfahrung mit elektrischen Anlagen und ihrer Erfahrung bei anderen Projekten der Kl. in der Lage, die Gefahren zu beherrschen. Insbesondere hatte die Bekl. einen fachkundigen Bauleiter, den Zeugen F, vor Ort eingesetzt, um mögliche Gefahren durch die elektrischen Anlagen auszuschließen. Aufgrund der Erfahrung und der Fachkompetenz der Streithelferin kommt es nicht darauf an, welche Informationen und welche Unterlagen die Kl. der Streithelferin vor Beginn der Arbeiten übergeben hat. Wenn bei der Streithelferin Unklarheiten über den Verlauf von Kabelkanälen oder die Tragfähigkeit von Abdeckungen bestanden haben sollten – was zwischen den Parteien des Rechtsstreits streitig ist – wäre es ihre Sache gewesen, sich gegebenenfalls zusätzliche Informationen bei der Kl. zu beschaffen.

 

Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.01.2018 - 9  161/15 = VersR 2018, 888