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Architektenhaftung

Beginn der Verjährung der Architektenhaftung bei unterbliebener Abnahme (OLG München vom 17.07.2012)

Die Verjährung der Mängelansprüche gegen den mit den Leistungsphasen 1-9 nach § 15 HOAI a.F.  beauftragten Architekten beginnt im Falle unterbliebener Abnahme, wenn feststeht, dass eine weitere Erfüllung des Architektenvertrags nicht mehr in Betracht kommt, zum Beispiel mit Ablauf der letzten Gewährleistungsfrist für einen Bauunternehmer.


Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

Der Architekt war mit der Erbringung der Leistungsphasen 1-9 nach § 15 HOAI a.F. beauftragt. Am 30.01.1998 wird das letzte Teilgewerk abgenommen. Eine Abnahme der Architektenleistung unterbleibt. An Gewerken, die der Architekt geplant und überwacht hatte, zeigten sich erstmals im Jahr 2003, bei einem weiteren Gewerk im Jahr 2006, Mängel. Da die Gewährleistungsansprüche gegen die ausführenden Unternehmer zwischenzeitlich verjährt waren, verlangt der Bauherr vom Architekten Schadensersatzanspruch mit der Begründung, dass die Verjährung der Schadenersatzansprüche gegen den Architekten noch nicht in Lauf gesetzt sei, da dessen Leistung nicht abgenommen worden sei. 

Aus den Gründen:
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass eine ausdrückliche Abnahme der Architektenleistung nicht erfolgt ist. Der beklagte Architekt verteidigte sich u.a. damit, das seine Zahlung vom 12.01.1999 auf seine Schlussrechnung vom 14.12.1998 als konkludente Abnahme auszulegen sei. Mit diesem Einwand dringt der Architekt indes nicht durch, da er zu diesem Zeitpunkt seine Architektenleistung, insbesondere die der Leistungsphase 9, nicht erbracht hatte.
Das OLG München entscheidet unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH, dass die Verjährung der Schadenersatzansprüche gegen den Architekten am 31.01.2003 (mit Ablauf der Gewährleistungsfrist des mangelhaften Gewerks) begonnen hatte und am 31.01.2008 endete, so dass sich der Architekt auf die Einrede der Verjährung berufen konnte. Eine Haftung nach den Grundsätzen der Sekundärhaftung verneinte das OLG München ebenfalls:
Allerdings geht die Kl. rechtsirrig davon aus, dass mangels Abnahme der Architektenleistungen die Verjährungsfrist hinsichtlich des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs nicht zu laufen begonnen habe. Dies ist unzutreffend. Vielmehr begann der Lauf der Verjährungsfrist hinsichtlich des Schadenersatzanspruchs gegen den Bekl. am 31.01.2003 und endete am 31.01.02008. 
 
Nach der Rechtsprechung des BGH unterliegen werkvertragliche Gewährleistungsansprüche des Bestellers auch dann der Verjährungsregelung des § 638 Absatz I 1 BGB a. F., wenn sie vor der Abnahme entstanden sind (…). Schadenersatzansprüche gegen den Architekten gem. § 635 BGB a. F. verjähren dabei nach § 634 a BGB n. F., sofern diese Vorschrift gem. Art. 229 § 6 I EGBGB anwendbar ist (…). Die Verjährung beginnt dabei nicht erst, wenn die Abnahme erfolgt ist, sondern bereits dann, wenn Umstände gegeben sind, nach denen eine Erfüllung des Vertrags nicht mehr in Betracht kommt (…). Von der Umgestaltung des Vertrags in ein Abwicklungsverhältnis kann dann ausgegangen werden, wenn Leistungen der Leistungsphase 9 nach § 15 II HOAI a. F. oder auch sonstige Erfüllungsleistungen aus dem Architektenvertrag nicht mehr in Betracht kommen (…). Dem ist auch die obergerichtliche Rechtsprechung gefolgt (…).
 
Vorliegend wurde die letzte Handwerkerleistung am 30.01.2003 abgenommen. Die fünfjährige Gewährleistungsfrist hinsichtlich dieser Handwerkerleistung endete damit mit Ablauf des 30.01.2008. Danach kommt eine Erfüllung des Architektenvertrags nicht mehr in Betracht. Die Erstellung einer Übersicht über die Verjährung der Handwerkerleistungen, deren Erstellung von der Kl. bestritten wurde, ergibt mit Ablauf der Gewährleistungsfrist für den letzten Handwerker keinen Sinn mehr. Die Leistung wurde somit unmöglich. Auch konnte der Bekl. nach diesem Datum Leistungen der Leistungsphase 9 nicht mehr erbringen. Ortsbegehungen zur Feststellung, ob Mängel an den Gewerken der Handwerker vorliegen, und etwaige Mängelanzeigen gegenüber den Handwerkern wurden sinnlos und damit unmöglich, da Gewährleistungsansprüche gegenüber den Handwerkern nunmehr verjährt waren. (…) Da nach Ablauf des 30.01.2003 eine Erfüllung des Architektenvertrags nicht mehr in Betracht kam, begann zu diesem Zeitpunkt die Verjährung hinsichtlich des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs zu laufen. Die fünfjährige Gewährleistungsfrist gem. § 634 a BGB n. F. i. V. mit Art. 229 § 6 I EGBGB endete mit Ablauf des 30.01.2008. (…) 
 
4. Ohne Erfolg beruft sich die Kl. darauf, dass vorliegend die Grundsätze der Sekundärhaftung zur Anwendung kommen und danach der Bekl. sich nicht auf die Verjährung der Schadenersatzansprüche berufen kann.
 
Nach der Rechtsprechung des BGH hat der umfassend beauftragte Architekt dem Bauherrn noch nach der Beendigung seiner eigentlichen Tätigkeit bei der Behebung von Baumängeln zur Seite zu stehen. Im Rahmen seiner Betreuungsaufgaben hat er nicht nur die Auftraggeberrechte gegenüber den Bauunternehmern zu wahren; ihm obliegt auch die objektive Klärung der Mängelursachen, selbst wenn hierzu eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören. Als Sachwalter des Bauherrn schuldet er die unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Baumängel sowie die sachkundige Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der Untersuchung und von der sich daraus ergebenden Rechtslage (…). Verletzt der Architekt diese Pflichten, kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BGH zur Sekundärhaftung des Architekten mit der Folge, dass der Architekt sich nicht auf die Einrede der Verjährung bezüglich seiner Pflichtverletzung berufen kann (…).
 
Dabei ist der Kl. zuzugeben, dass vorliegend die Anwendung der Grundsätze der Sekundärhaftung hinsichtlich des Bekl. durchaus in Betracht kommt. Dieser ist umfassend beauftragter Architekt der Kl. und schuldet damit die unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Baumängel sowie die sachkundige Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der Untersuchung und von der sich daraus ergebenden Rechtslage (…).
 
Allerdings sind erste Schäden an den Fenstern vorliegend unstrittig erstmals 2003 von der Kl. wahrgenommen worden. Hierüber hat die Kl. unstrittig den Bekl. nicht informiert.
 
Unwiderlegbar erst im August 2008 (s. hierzu bereits unter 3) hat der Bekl. Kenntnis von den Mängeln an den Fenstern und Fenstertüren und dem bereits eingetretenen Schaden erlangt. Unwiderlegbar erst zu diesem Zeitpunkt – und damit in verjährter Zeit – hat der Bekl. auch Kenntnis erlangt, dass die von ihm erbrachten Planungs- und Bauüberwachungsleistungen mangelhaft waren.
 
Damit ist vorliegend eine Aufklärungspflichtverletzung des Bekl., die dessen Sekundärhaftung zur Folge hätte, nicht gegeben. Mangelerscheinungen traten erstmals 2003 auf. Eine Ortsbegehung hinsichtlich der Schreinerarbeiten an den Fenstern und Fenstertüren vor Ablauf der Gewährleistung gegenüber dem Streithelfer zu 1 im Jahr 2002 hätte nichts geändert, da zu diesem Zeitpunkt eine Mängelerscheinung noch nicht vorlag. Die Kenntnis der Mängelerscheinung im Jahr 2008 und eine Kenntnis der Mängel der Architektenleistungen lag beim Bekl. erst 2008 und damit in verjährter Zeit vor.
Ist dem Architekten entsprechend § 3 Abs. 4 HOAI auch die Objektbetreuung und Dokumentation (Leistungsphase 9) übertragen, so hat dies auf den Verjährungsbeginn evtl. Ansprüche gegen den Architekten erheblichen Einfluss. Die Abnahmefähigkeit des Architektenwerks kann nämlich erst eintreten, wenn alle zur Objektbetreuung zu zählenden Arbeiten, wie die Feststellung von Mängeln der Leistungen der bauausführenden Unternehmer vor Ablauf der Gewährleistungsfristen und die Überwachung der Beseitigung der während der Verjährungszeit auftretenden Mängel, erbracht sind.
Die Übernahme sämtlicher in § 3 Abs. 4 HOAI beschriebenen Leistungsphasen, insbesondere der vergleichsweise gering vergüteten Leistungsphase 9, kann dazu führen, dass die Verjährungsfrist für Ansprüche aus mangelhafter Planung bei Übertragung der Vollarchitektur unter Umständen erst Jahre nach der Fertigstellung des Bauwerks zu laufen beginnt. Für den Architekten empfiehlt es sich daher, eine Teilabnahme zu einem früheren Zeitpunkt mit dem Auftraggeber zu vereinbaren.


Fundstelle: OLG München, Urteil vom 17.07.2012 - 13 U 4106/11