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Architektenhaftung

Drittschadensliquidation nach mangelhafter Architektenleistung bei Schadensverlagerung auf Pächter (BGH v. 14.01.2016)

Zur Drittschadensliquidation bei der Inanspruchnahme eines Architekten für Kosten der Sanierung von Mängeln eines Industriehallenfußbodens, die auf von dem Architekten schuldhaft verursachte Mängel des Architektenwerks zurückzuführen sind, wenn die Sanierungskosten nicht von dem Auftraggeber des Architekten und Halleneigentümer, sondern von einem mit dem Auftraggeber vertraglich verbundenen Pächter entsprechend den Regelungen des Pachtvertrages getragen worden sind.


Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf die durch die Sanierung eines Industriehallenbodens entstandenen Kosten in Anspruch. Die Klägerin ist Eigentümerin der Industriehalle, die sie verpachtet hat. Im Rahmen einer Erweiterung der Halle hatte die Klägerin den beklagten Architekten mit der Planung beauftragt. Nach Abschluss der Arbeiten zeigen sich Mängel am Estrich. Es da im Pachtvertrag vereinbart ist, dass der Pächter alle während der Pachtzeit erforderlichen Ausbesserungen und Erneuerungen auf eigene Kosten selbst auszuführen hat, übernimmt der Pächter die Sanierung des Fußbodens und bezahlt diese.

Mangels eines Vertragsverhältnisses zwischen Pächter und Beklagten (Architekt) stehen dem Pächter gegen den Architekten keine Schadensersatzansprüche zu. Daher macht der Auftraggeber gegenüber dem Architekten Schadensersatzansprüche geltend. Der Architekt verteidigt sich damit, dass, da der Pächter den Fußboden saniert habe, dem Auftraggeber gar kein Schaden entstanden sei und ihn aufgrund des Pachtvertrages auch kein Regressanspruch gegenüber seinem Pächter zustehen. Nachdem Landgericht und Oberlandesgericht die Klage abgewiesen haben, setzt sich der Auftraggeber vor dem BGH dem Grunde nach durch.

Aus den Gründen (Hinzufügungen in […]):

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann indes ein Schadensersatzanspruch der Klägerin hinsichtlich der entstandenen Sanierungskosten nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation nicht verneint werden.

a) Aufgrund einer Vertragspflichtverletzung kann der Vertragspartner den daraus entstehenden Schaden grundsätzlich nur insoweit geltend machen, als er bei ihm selbst eingetreten ist (…). In besonders gelagerten Fällen lässt die Rechtsprechung allerdings eine Drittschadensliquidation zu, bei der der Vertragspartner [Auftraggeber] den Schaden geltend machen kann, der bei dem Dritten [Pächter] eingetreten ist, der selbst keinen Anspruch gegen den Schädiger [Architekten] hat. Für die Zulassung einer Drittschadensliquidation ist der Gesichtspunkt maßgebend, dass der Schädiger keinen Vorteil daraus ziehen soll, wenn ein Schaden, der eigentlich bei dem Vertragspartner eintreten müsste, zufällig aufgrund eines zu dem Dritten bestehenden Rechtsverhältnisses auf diesen verlagert ist (...). Die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation scheidet aus, wenn die Drittschadensliquidation zu einer dem allgemeinen Vertragsrecht widersprechenden Schadenshäufung führen würde (…).

b) Nach diesen Maßstäben kommt im Streitfall ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte hinsichtlich der entstandenen Sanierungskosten nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation in Betracht. Der betreffende Schaden ist unter Berücksichtigung der Vereinbarung in § 5 des Pachtvertrags (…) nicht bei der als Auftraggeberin des Architektenvertrags ersatzberechtigten Klägerin, sondern [beim Pächter] eingetreten, d[er] selbst keinen eigenen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Sanierungskosten hat. Dabei handelt es sich um eine bloße - zufällige - Verlagerung des Schadens.

Anmerkung:
Soweit der nach dem Vertrag Ersatzberechtigte bei einer Drittschadensliquidation Leistung an sich verlangt, ist es dessen Sache, die Ersatzleistung an den geschädigten Dritten weiterzuleiten; den Schädiger geht dies grundsätzlich nichts an (vgl. BGH, Urteil vom 04.12.1997 - IX ZR 41/97 = NJW 1998, 1864, 1865). Da der Geschädigte im Ergebnis wirtschaftlich nicht besser gestellt werden soll, als er es ohne das schädigende Ereignis wäre (sog. unzuläsige Schadenshäufung), ist es (nur) dann, wenn feststeht, dass der geschädigte Dritte tatsächlich nichts erhalten würde, gerechtfertigt, den Anspruch aus der Drittschadensliquidation zu versagen. Einen solchen Ausnahmefallhat der Schädiger zu beweisen (vgl. BGH, a.a.O.)

Fundstelle: BGH, Urteil v. 14.01.2016 - VII ZR 271/14 = BeckRS 2016, 02441