Architektenhaftung
Haftung des bauüberwachenden Architekten bei insolventem Auftragnehmer (OLG München vom 05.08.2014)Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)
Die Klägerin beauftragte die Auftragnehmerin mit
Fassadenbauarbeiten und die Beklagte mit der Bauüberwachung. Über das Vermögen
der Auftragnehmerin wurde im Weiteren das Insolvenzverfahren eröffnet und diese
schließlich von Amts wegen aufgrund Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.
Die Klägerin war bei Auftragserteilung darüber, dass ein Insolvenzverfahren
über das Vermögen der Auftragnehmerin möglicherweise bevorsteht, informiert und
hielt nach Insolvenzeröffnung am Auftrag fest. Im weiteren Verlauf traten
Mängel an der Fassade auf.
Der Architekt wendet gegenüber dem Schadensersatzbegehren der
Klägerin ein, dass diese als Auftraggeberin das Risiko der fehlenden
Leistungsfähigkeit der Auftragnehmerin kannte. Das OLG hebt das
erstinstanzliche Urteil (Verurteilung des Architekten) auf und verweist den
Rechtsstreit an das Landgericht zurück.
Aus den Gründen:
„Die zulässige Berufung führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und - wegen der zu erwartenden umfangreichen
Beweisaufnahme - zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. (…)
Die seit August 2002 im eröffneten Insolvenzverfahren
befindliche Insolvenzschuldnerin könnte Rügen der Bauüberwachung wegen ihrer mangelnden
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht befolgt haben, der Bauherr könnte
darüber und die daraus folgenden Risiken voll informiert gewesen sein und
gleichwohl aus Zeitdruck auf einer Weiterarbeit der Insolvenzschuldnerin
bestanden haben, so dass kein Überwachungsfehler vorliegen könnte (...). Darin
könnte auch ein ganz erhebliches Mitverschulden der Klägerin liegen (…). Die
mangelnde Leistungsfähigkeit der Insolvenzschuldnerin könnte sogar die
Schadenskausalität einer etwaigen Überwachungspflichtverletzung ausschließen. (…)
Zur Frage, ob die Klägerin für eine ausreichende
Leistungsfähigkeit der Insolvenzschuldnerin darlegungs- und beweisbelastet ist,
oder für das Gegenteil die Beklagte, möge das Landgericht in seine Erwägungen
einbeziehen, dass die Insolvenzeröffnung die Vermutung begründet, dass die
Insolvenzschuldnerin nicht mehr in der Lage ist, ihre dringend eingeforderten
Verbindlichkeiten noch im Wesentlichen zu bedienen und sich auch nicht zu für
Kaufleute üblichen Bedingungen Fremdmittel beschaffen kann (…). Bei der
Auftragsdurchführung durch den Insolvenzverwalter wird regelmäßig von einer
sehr knappen Finanzausstattung auszugehen sein, so dass die
Insolvenzschuldnerin auf die rasche Bezahlung von Abschlagsrechnungen
angewiesen gewesen sein dürfte (etwa um weitere Materiallieferungen zu
erhalten) und die Zurückbehaltung von Zahlungen des Auftraggebers wegen Mängeln
oder das zusätzliche Kosten verursachende Abarbeiten von Mängelrügen zur
Insolvenz in der Insolvenz führen würde. (…)
Auch das Schreiben der Beklagten vom 28.10.2002 müsste in
diesem Licht neu bewertet werden und könnte zu einer Enthaftung der Beklagten
führen. Denn wegen der darin angezeigten unübersichtlichen Lage auf der
Baustelle hätte die Klägerin möglicherweise aufgrund ihrer Kooperationspflicht
gegenüber der Beklagten dieser eine wenigstens kurze Einstellung der Arbeiten
gewähren müssen.“
Hinweis für die Praxis:
Fundstelle: OLG München, Urteil vom 05.08.2014 - 9 U 3291/13 Bau = BeckRS 2014, 19655