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Architektenhaftung

Pflichten des Architekten beim Vorbehalt von Vertragsstrafen (OLG Bremen vom 06.12.2012)

Ist dem Architekten bekannt, dass die Parteien des Bauvertrages eine Vertragsstrafe vereinbart haben oder hätte ihm dies bekannt sein müssen, gehört es zu seinen Beratungs- und Betreuungspflichten, sicherzustellen, dass bei einer förmlichen Abnahme der erforderliche Vertragsstrafenvorbehalt erklärt wird.

Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

Die Klägerin hatte den beklagten Architekten mit Architektenvertrag auch mit den Leistungsphasen 8 und 9 (Objektüberwachung und Objektbetreuung) beauftragt. Im VOB/B-Bauvertrag mit der bauausführenden Firma war eine Vertragsstrafe vereinbart. Aufgrund erheblicher Verzögerungen konnte der vereinbarte (vertragsstrafenbewehrte) Fertigstellungstermin nicht eingehalten werden. Diese Vereinbarung war dem Architekten bekannt, er selbst hatte die Baufirma auf die Vertragsstrafe hingewiesen. Bei der förmlichen Abnahme des Bauwerks versäumt es der Architekt, zugunsten der Klägerin wirksam den Vorbehalt der Vertragsstrafe zu erklären.

Die Klägerin nimmt den Architekten auf € 137.826,51 in Anspruch, die sie aufgrund der Bauverzögerung weniger an die Baufirma gezahlt hätte. Das OLG Bremen folgt dem.

Aus den Gründen:

Der Beklagte hat schuldhaft eine sich aus dem Architektenvertrag i. V. m. § 11 Nr. 4 VOB/B ergebende Pflicht verletzt. (…).

Die Pflichtverletzung des Beklagten besteht vorliegend darin, dass er es bei der Abnahme versäumt hat, die Geltendmachung der Vertragsstrafe vorzubehalten bzw. die Klägerin auf diese Notwendigkeit hinzuweisen. Aufgrund dieser Pflichtverletzung konnte die Klägerin ihren Vertragsstrafenanspruch gegen die Fa. S. nicht durchsetzen. (…)

Nach § 11 Nr 4 VOB/B kann der Auftraggeber die Vertragsstrafe aber nur dann geltend machen, wenn er sie sich bei der Abnahme vorbehält. Nach einhelliger Auffassung kann der für den Auftraggeber tätige bauleitende Architekt nicht ohne weiteres als zur Geltendmachung des Vertragsstrafenvorbehalts bevollmächtigt angesehen werden, da die Vertragsstrafe in erster Linie Vermögensinteressen des Auftraggebers betrifft und mit der Bauleistung und damit auch mit der Tätigkeit des Architekten unmittelbar nichts zu tun hat (...). Soll der Architekt dennoch den Vorbehalt der Vertragsstrafe erklären, so bedarf es dazu einer besonderen Bevollmächtigung durch den Auftraggeber. Dabei reicht eine spezielle Vollmacht für die rechtsgeschäftliche Abnahme, die dann die Vollmacht zum Vorbehalt der Vertragsstrafe umfasst (...). Der übliche Architektenvertrag, der auf das in § 15 HOAI beschriebene Leistungsbild abstellt, ersetzt die Vollmacht zur Geltendmachung des Vertragsstrafenvorbehalts aber nicht (...). Dazu, dass dem Beklagten eine derartige Vollmacht erteilt worden ist, fehlt, jedenfalls für den von der Klägerin behaupteten Abnahmetermin 17.03.1999, der entsprechende Vortrag.

Bestand eine solche Vollmacht nicht, kommt eine haftungsbegründende Pflichtverletzung des Architekten dann in Betracht, wenn er in diesem Zusammenhang eine Beratungspflicht verletzt hat. Ist dem Architekten bekannt, dass die Parteien des Bauvertrages eine Vertragsstrafenabrede getroffen haben oder hätte ihm dies bekannt sein müssen, gehört es nach wohl überwiegender Ansicht zu den Beratungs- und Betreuungspflichten des Architekten, durch nachdrückliche Hinweise an den Bauherrn sicherzustellen, dass bei einer förmlichen Abnahme der erforderliche Vertragsstrafenvorbehalt nicht versehentlich unterbleibt, es sei denn, der Auftraggeber besitzt selbst genügende Sachkenntnis oder ist sachkundig beraten (…). Der BGH führt in der genannten Entscheidung dazu aus, dass der Architekt als geschäftlicher Oberleiter, sachkundiger Berater und Betreuer des Bauherrn auf dem Gebiete des Bauwesens nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts, des Bürgerlichen Gesetzbuches und der entsprechenden Vorschriften der VOB/B besitzen muss. Dazu gehöre auch, dass eine Vertragsstrafe nach § 341 Abs. 3 BGB, § § 11 Nr. Nr 4 VOB/B bei der Abnahme vorbehalten werden muss (...).

Hier hat der Beklagte eine entsprechende Beratungspflicht schuldhaft verletzt. Wie sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 30.10.1998 ergibt, war ihm die Vertragsstrafenregelung bekannt. Zudem ist unstreitig, dass dem Geschäftsführer der Beklagten selbst die entsprechende Sachkunde fehlte.

Vorliegend war der Anspruch der Klägerin indes verjährt. Im Vorprozess gegen die bauausführende Firma hatte die Klägerin dem Architekten zwar den Streit verkündet. Grund der Streitverkündung waren jedoch lediglich Mängelansprüche. Die verjährungshemmende Wirkung der Streitverkündung bezog sich daher nicht auf Schadensersatzansprüche wegen der Nichtdurchsetzbarkeit der Vertragsstrafenansprüche.

Fundstelle: OLG Bremen, Urteil vom 06.12.2012 - 3 U 16/11