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Architektenhaftung

Zur Unverbindlichkeit einer die Mindestsätze unterschreitenden Honorarvereinbarung, die der Architekt vorgeschlagen hatte (OLG München vom 04.12.2012)

Ein Ingenieur/Architekt ist nicht gehindert, nach den Mindestsätzen der HOAI abzurechnen, wenn der Auftraggeber im Einzelfall nicht auf das vereinbarte, dieMindessätze der HOAI unterschreitende, Honorar vertrauen durfte.

Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

Im Rahmen einer Ausschreibung hatte der beklagte Auftragnehmer mit zu erbringenden Planungsleistungen das klagende Ingenieurbüro beauftragt. Die Parteien vereinbarten hierfür ein Pauschalhonorar, das die Mindestsätze der HOAI unterschritt. Das LG sprach der Klägerin (nur) das vereinbarte Pauschalhonorar zu. Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg, das OLG München entschied, dass der Auftragnehmer nicht auf das vereinbarte Pauschalhonorar vertrauen durfte.

Aus den Gründen:

"1. Eine Mindestsatzunterschreitung ist vorliegend schon wegen des Fehlens einer schriftlichen Vereinbarung nicht wirksam vereinbart (…). Darüber hinaus ist sachlich nichts für einen Ausnahmefall ersichtlich (...).

Entgegen der Ansicht des LG ist die Kl. jedoch nicht nach § 242 BGB an ein Pauschalhonorar unter den Mindestsätzen gebunden. Dabei ist eine Gesamtabwägung des Verhaltens des Architekten und der vertrauensbildenden Umstände vorzunehmen (…).

a) Weder durfte die Bekl. auf den Pauschalbetrag vertrauen, noch ist die Zahlung des Differenzbetrags von rund 74 000 Euro zwischen dem Pauschalhonorar und dem Mindestsatzhonorar der Bekl. unzumutbar (…). Das Vertrauendürfen der Bekl. scheitert daran, dass es sich um ein sehr anspruchsvolles Bauvorhaben (zwei Autobahnbrücken) gehandelt hat und dementsprechende Geschäftserfahrung von der Bekl. zu erwarten war. Auch ohne genaue Kenntnis der HOAI musste ihr die Existenz einer Mindestsatzregelung bekannt sein. Nicht ersichtlich ist ferner, dass die Bekl. durch die Geltendmachung der Mindestsätze wirtschaftlich unzumutbar hart getroffen werden würde. Der Differenzbetrag erscheint angesichts des gesamten Auftragsumfangs wirtschaftlich nicht unzumutbar. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass sich die Bekl. vertraglich im Dezember 2008 gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zu Planungs- und Bauleistungen verpflichtet hatte, zu deren Erbringung sie den streitgegenständlichen Auftrag erteilte. Durch die Verpflichtung gegenüber der Bundesrepublik hat die Bekl. das Kostenrisiko für den Einkauf von notwendigen Nachunternehmerleistungen – wie der streitgegenständlichen – übernommen. Insofern hat sie kein schützenswertes Vertrauen auf die später (am 21. 1. 2009) vereinbarte Mindestsatzunterschreitung durch die Kl. oder auf eine Mindestsatzunterschreitung durch irgendeinen anderen Planer. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kl. schon bei ihrem Vorschlag der Pauschalvereinbarung die Mindestsatzunterschreitung positiv erkannt und von vorne herein die spätere Forderung eines höheren Honorars geplant hat.

b) Daraus, dass die Kl. am 16. 9. 2010 zunächst das Pauschalhonorar abgerechnet hat, diese Rechnung später zurückgenommen und durch die streitgegenständliche vom 17. 2. 2011 ersetzt hat, folgt nichts anderes. Denn auch insoweit steht § 242 BGB der Nachforderung nicht entgegen (…). Da die Bekl. im Vertrauen auf den Bestand der ersten Rechnung keinerlei Dispositionen getroffen hat, etwa durch Bezahlung der Rechnung, erscheint das Abrücken der Kl. von dieser Rechnung nicht treuwidrig. Auch der Anlass der Rücknahme der ersten Rechnung erscheint nicht treuwidrig: Wenn der Auftraggeber weit höheren Schadensersatz verlangt, steht nicht treuwidriges Gewinnstreben im Vordergrund; vielmehr handelte die Kl. – weit weniger treuwidrig – aus Gründen ihrer Verteidigung.

2. Mangels Verbindlichkeit der mindestsatzunterschreitenden Pauschalabrede war die Klage nicht teilweise abzuweisen und das Urteil des LG insoweit aufzuheben. Da ferner die Höhe des Klageanspruchs nicht entscheidungsreif ist, der Klageanspruch aber mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht, war der Honoraranspruch uneingeschränkt dem Grunde nach festzustellen und die Sache zur weiterenVerhandlung an das LG zurückzuverweisen (...)"

Fundstelle: OLG München, Urteil vom 04.12.2012 - 9 U 255/12 = NZBau 2013, 316