Haftung des Bauherrn
Begrenzte Verkehrssicherungspflichten des Bauunternehmers bei Bauarbeiten innerhalb eines abgeschlossenen Gartens (OLG Stuttgart vom 19.07.2013)Bei einer Baustelle auf einem privaten Anwesen – hier im Garten zum Bau eines Swimmingpools – bestehen für den Bauunternehmer Verkehrssicherungspflichten nur in beschränktem Umfang, wenn der Verkehr nur für einen beschränkten Personenkreis zugänglich ist, der mit den Gegebenheiten und üblichen Gefahrender Baustelle vertraut ist (hier: Der Bauherr selbst)
Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)
Das OLG
Stuttgart hatte in einer jüngeren Entscheidung über die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht
des Bauunternehmers auf einer Baustelle zu entscheiden. Die Klägerin hatte auf
ihrem Grundstück einen Swimmingpool herstellen lassen. Während die Poolwanne
mit Beton hinterfüllt wurde, wurde zeitgleich dazu die Wanne mit Wasser
gefüllt. Nach Fertigstellung der Arbeiten reinigten die Beklagten in der Mitte
des Gartens, in welchem noch Aushub und sonstiges Baumaterial lagerten,
ihre Arbeitsgeräte unter Verwendung größerer Mengen Wassers. Die Klägerin, die
sich häufig in dem Garten aufgehalten hatte, unter anderem, um die Bauarbeiten
fotografisch zu dokumentieren, stürzte an diesem Tag an einer schlammigen Stelle und zog sich erhebliche
Verletzungen am rechten Bein zu.
Das
Landgericht hat die auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gerichtete Klage
abgewiesen; nach dem vorliegenden Hinweisbeschluss hat die Klägerin ihre
Berufung vor dem OLG Stuttgart zurückgenommen.
Aus den
Gründen:
„Nach der
ständigen Rechtsprechung des BGH ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich
welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und
zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu
verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen
Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen
vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden
zu bewahren.
Dabei ist
jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend
begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre
utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im
praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren
Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind
vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die
Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
(§ BGB § 276 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad
erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende
Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus,
diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger,
umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen
Verkehrskreise – hier die Bauunternehmer – für ausreichend halten darf, um
andere Personen – hier die Bauherren – vor Schäden zu bewahren, und die den
Umständen nach zuzumuten sind; Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht
ist, dass sich vorausschauend für einen sachkundigen Beurteiler die
naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können.
Kommt es in
Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil
eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter
besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war,
ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart
dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen. Er hat ein „Unglück”
erlitten und kann dem Schädiger kein „Unrecht” vorhalten. (…)
Nach diesen
Grundsätzen kommt eine Haftung der Bekl. nicht in Betracht.
Für die
Bekl. bestand grundsätzlich nur eine begrenzte Verkehrssicherungspflicht, weil
der Zugang zu der Baustelle nicht allgemein, sondern nur für Personen eröffnet
war, deren Anwesenheit auf der Baustelle sich aus einem sachlichen Zusammenhang
ihrer Tätigkeit mit der Realisierung des Bauvorhabens rechtfertigte, etwa für
Handwerker und Lieferanten. Bei diesem Personenkreis konnte davon ausgegangen
werden, dass sie mit den Gegebenheiten und üblichen Gefahren einer Baustelle
vertraut waren. (…) Mit dem Eindringen Unbefugter in die Baustelle mussten die
Bekl. bei Arbeiten im Garten eines Privathauses nicht rechnen. Eine feuchte
Stelle auf einem Gartenboden ist zudem keine außergewöhnliche Gefahrenstelle,
die auch Personen leicht zum Verhängnis werden kann, die mit den Gegebenheiten
und den üblichen Gefahren einer Baustelle vertraut sind. (…)
Fundstelle: OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 19.07.2013 - 5 U 37/13 = NZBau 2013, 775