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Haftung des Bauherrn

Haftung des Eigentümers/Bauherren für Brandfolgen am Nachbarhaus
(BGH, Urt. v. 09.02.2018 - V ZR 311/16)


Die Grundstückseigentümer/Bauherren hatten einen Handwerker mit Reparaturarbeiten am Flachdach ihres Anwesens beauftragt. Bei den Heißklebearbeiten verursachte dieser schuldhaft die Entstehung eines Glutnestes unter den aufgeschweißten Bahnen. Der am Abend alarmierten Feuerwehr gelang es nicht, das Haus zu retten; dieses brannte vollständig nieder. Durch den Brand und die Löscharbeiten wurde das an das brennende Haus unmittelbar angebaute Nachbarhaus erheblich beschädigt.

Die Versicherung des Eigentümers des Nachbargrundstücks leistete an diesen eine Entschädigung und nimmt (neben dem Handwerker) auch die Eigentümer des niedergebrannten Grundstücks aus übergegangenem Recht gemäß § 6 80 Abs. 1 VVG auf Schadensersatz in Anspruch.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen spricht der BGH dem Eigentümer des Nachbargrundstücks einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog in Verbindung § 86 Abs. 1 S. 1 VVG zu.

Zunächst führte BGH aus, dass ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach seiner ständigen Rechtsprechung dann gegeben ist, „wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gem. §§ 1004 I, 862 I BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (…). Hiervon ist auszugehen, wenn ein Brand auf ein fremdes Grundstück übergreift, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück daher nicht rechtzeitig abwehren kann.

Zu der weiteren Voraussetzung eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs, nämlich der Störereigenschaft des Anspruchsgegners im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB führt der BGH sodann aus wie folgt:

„Die Störereigenschaft folgt nicht allein aus dem Eigentum oder Besitz an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht. Erforderlich ist vielmehr, dass die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nicht begrifflich, sondern nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grundstückseigentümer oder -besitzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen. Dies ist dann zu bejahen, wenn sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, eine „Sicherungspflicht“, also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen, ergibt (st. Rspr. …).

Mit der Sicherungspflicht ist allerdings nicht – wie das BerGer. meint – eine Sorgfaltspflicht im schuldrechtlichen Sinne gemeint, die, um einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch zu begründen, von dem Grundstückseigentümer oder -besitzer verletzt worden sein muss. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Grundstückseigentümer oder -besitzer nach wertender Betrachtung für den gefahrenträchtigen Zustand seines Grundstücks verantwortlich ist, er also zurechenbar den störenden Zustand herbeigeführt hat (…). Wesentliche Zurechnungskriterien sind dabei unter anderem die Veranlassung, die Gefahrenbeherrschung oder die Vorteilsziehung (…). Bei natürlichen Immissionen ist entscheidend, ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält (…). Sachgründe, die es rechtfertigen, dem Grundstückseigentümer oder -besitzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen und ihn damit als Störer zu qualifizieren, hat der Senat etwa bejaht, wenn ein Haus infolge eines technischen Defekts seiner elektrischen Geräte oder Leitungen in Brand gerät (…) oder Wasser infolge eines Rohrbruchs auf das Nachbargrundstück gelangt (). Hierdurch verursachte Störungen stellen kein allgemeines Risiko dar, das sich – wie etwa ein Blitzschlag – ebenso gut bei dem Haus des Nachbarn hätte verwirklichen können und dessen Auswirkungen von dem jeweils Betroffenen selbst zu tragen sind. Auch wenn konkret kein Anlass für ein vorbeugendes Tätigwerden bestanden haben mag, beruhen sie auf Umständen, auf die grundsätzlich der Grundstückseigentümer bzw. -besitzer, und nur dieser, Einfluss nehmen konnte (…).“

Aufgrund der vorgenannten Grundsätze erachtet der BGH eine Haftung der Eigentümer des abgebrannten Anwesens in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2BGB für die aus dem Brand entstandenen Schäden am Nachbarhaus für gegeben:

Die Eigentümerin des Nachbargebäudes hatte keine tatsächliche Möglichkeit, das drohende Übergreifen des Brandes auf ihr Grundstück durch die Geltendmachung von Abwehransprüchen gem. §§ 1004 I, 862 I BGB zu verhindern. Die nach den Feststellungen des BerGer. durch den Brand und die Löscharbeiten verursachten erheblichen Beschädigungen ihres Gebäudes übersteigen das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Einwirkung. Die Beeinträchtigung beruhte auch auf einer privatwirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks der Bekl.

Dass der Brand auf die Handlung eines Dritten, nämlich des mit den Reparaturarbeiten beauftragten Handwerkers, zurück zu führen ist, ändert an der Haftung der Eigentümer nichts:

Der Annahme einer Verantwortlichkeit steht nicht entgegen, dass der Brand auf die Handlung eines Dritten, nämlich auf die Arbeiten des (…) mit der (…) Dachreparatur beauftragten Werkunternehmers zurückzuführen ist. Mittelbarer Handlungsstörer ist auch derjenige, der die Beeinträchtigung des Nachbarn durch einen anderen in adäquater Weise durch seine Willensbetätigung verursacht (…). Entgegen der Auffassung des BerGer. kommt es für die Zurechnung des durch den Handwerker herbeigeführten gefahrträchtigen Zustands des Grundstücks nicht darauf an, ob die (…)  Bekl. bei der Auswahl des Handwerkers Sorgfaltspflichten verletzt haben. Maßgeblich ist vielmehr, ob es Sachgründe gibt, die aufgetretene Störung ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen. Das ist der Fall. Die (…) Bekl. waren diejenigen, die die Vornahme von Dacharbeiten veranlasst haben und die aus den beauftragten Arbeiten Nutzen ziehen wollten (…). Dass sie den Handwerker sorgfältig ausgesucht und ihm die konkrete Ausführungsart nicht vorgeschrieben haben, ändert nichts daran, dass sie mit der Beauftragung von Dacharbeiten eine Gefahrenquelle geschaffen haben und damit der bei der Auftragsausführung verursachte Brand auf Umständen beruhte, die ihrem Einflussbereich zuzurechnen sind.


Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)


Fundstelle: BGH, Urt. v. 09.02.2018 - V ZR 311/16