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Beiträge und Entscheidungen/ Haftpflichtrecht

Anforderung an die Verkehrssicherungspflicht für Betreiber eines Shopping-Centers (LG Ellwangen vom 06.11.2015)

Der Betreiber eines Shopping-Centers erfüllt seine Verkehrssicherungspflicht, wenn in einem Bereich von Textilgeschäften ohne besondere Gefahrenquellen eine tägliche Reinigung erfolgt und im Turnus von zwei Stunden Reinigungskräfte den Bereich überwachen und bei Bedarf nachreinigen.


Ansprechpartner: Dr. Frank Zentz, LL.M. (Emory)

Das LG Ellwangen hatte sich mit der Frage der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Shopping-Centers zu beschäftigen. Die Klägerin war nach ihrem Vortrag auf einer etwa tellergroßen, schmierigen Stelle vor einem Textilgeschäft in dem Shopping-Center gestürzt und hat sich eine Humeruskopffraktur zugezogen. Da nach Ansicht der Klägerin der Betreiber des Shopping-Centers seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, nahm sie diesen auf Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage ab. Aufgrund der Beweisaufnahme stand für das Gericht fest, dass sich aufgrund des Putzplans der Beklagten rechnerisch ein Kontroll- und Reinigungsintervall der Böden von höchstens 1 Stunde und 40 Minuten ergibt. Nach Auffassung des Gerichts begründet dieses Reinigungsintervall keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht.

Aus den Gründen:

Dieses Reinigungsintervall ist jedenfalls für den Bereich, in dem die Klägerin stürzte, ausreichend. In einer viel frequentierten Ladenpassage eines Shopping-Centers ist die Verkehrssicherungspflicht im Bereich reiner Textilhändler dadurch erfüllt, dass die Böden täglich grundgereinigt und in etwa zweistündlichem Turnus kontrolliert und ggfs. nachgereinigt werden. Mangels Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte haftet sie daher der Klägerin nicht für die Schäden, die der Klägerin aus ihrem Sturz entstanden sind. (…)

An die Anforderungen an die Sauberhaltung von Böden ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen. Derjenige, der eine Gefahrenquelle eröffnet, ist gehalten, im Rahmen vernünftiger Grenzen die zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um andere vor Schaden zu bewahren (…). Die Anforderungen an die Verkehrssicherung sind abhängig von der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung von Rechtsgütern anderer. (…)

In Hinblick auf die Sauberhaltung von Fußböden bedeutet das, dass sich die Anforderungen nach dem konkreten Gefährdungspotential bemessen. So kann beispielsweise in der Obst- und Gemüseabteilung eines Supermarkts mit Selbstbedienung damit gerechnet werden, dass der Boden durch heruntergefallenes Obst und Gemüse immer wieder verschmutzt wird. Hier können Kontroll- und ggfs. Reinigungsintervalle von 15-20 Minuten erforderlich sein (…). Je weniger wahrscheinlich eine Verschmutzung ist, umso länger können die Kontroll- und Reinigungsintervalle ausfallen. In einem Drogeriemarkt können beispielsweise Kontrollen im halbstündlichen Turnus ausreichen, weil Verschmutzungen des Bodens hier weniger wahrscheinlich sind als in der Obst- und Gemüseabteilung (OLG …). Bei Gehwegen ist die Gefahr von Verschmutzungen niedriger als innerhalb von Ladengeschäften, da dort in der Regel kein Umgang mit Ware, die herabfallen könnte, stattfindet.

Im konkreten Fall ereignete sich der Sturz der Klägerin in einem Gang zwischen zwei Bekleidungsgeschäften (…).Die Gefährlichkeit des Wegs begründet sich damit vornehmlich aus der Tatsache, dass es sich um eine viel frequentierte Ladenpassage innerhalb eines Shopping-Centers handelt.

Eine besondere, mit einer Obst- und Gemüseabteilung im SB-Markt vergleichbare Gefährdungslage liegt nicht vor. Im Gegenteil handelte es sich bei dem Wegabschnitt, in dem die Klägerin stürzte, um eine Strecke ohne erkennbare besondere Gefahrenquellen. Dennoch ist im Vergleich zu Außenwegen zu berücksichtigen, dass die Besucher eines Shopping-Centers aufgrund des überdachten, eingefriedeten Charakters der Wege zwischen den Geschäften dort ein höheres Maß an Sauberkeit erwarten als auf einem nicht überdachten Weg im Freien, und sich im Vertrauen auf eine Reinigung der Flächen hier möglicherweise weniger vorsichtig bewegen könnten als draußen. (…) Entsprechend ist von dem Eigentümer eines Shopping-Centers eine regelmäßige Überprüfung und Reinigung der Wege innerhalb des Shopping-Centers zu verlangen, und das in einem Ausmaß, das über das Maß bei einem Weg vor einem Geschäft in einer nicht überdachten Ladenzeile hinausgeht. (…) Eine Überprüfung des Bodens im Turnus von etwa zwei Stunden ist nach Ansicht des Gerichts daher ausreichend, um den vorhersehbaren Gefahren für die Besucher zu begegnen und ein wirtschaftlich angemessenes Niveau an Sicherheit zu gewährleisten. Eine Schaffung gefahrloser Räume ist weder möglich noch im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht geschuldet."

Fundstelle: LG Ellwangen, Urteil vom 06.11.2015 - 2 O 24/15 = VersR 2016, 1455