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Beiträge und Entscheidungen/ Haftpflichtrecht

EuGH zu "AGG-Hopper"

Eine Scheinbewerbung um eine Stelle mit dem wesentlichen Ziel, die Stelle nicht anzutreten, sondern sich auf den durch die Richtlinien 2000/78 und 2006/54 (und damit dem AGG) gewährten Schutz zu berufen, um einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen, fällt nicht unter den Begriff „Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger Erwerbstätigkeit“ der Bestimmungen und kann bei Vorliegen der nach Unionsrecht erforderlichen Tatbestandsmerkmale als Rechtsmissbrauch bewertet werden.


Ansprechpartner: Nicole Tassarek-Schröder

Der Kläger, ein wohl als sogenannter „AGG-Hopper“ bekannter, langjährig praktizierender Rechtsanwalt, hatte sich auf eine von einer Versicherung als Trainee ausgewiesene Stelle - ein Hochschulabschluss sollte nicht länger als ein Jahr zurückliegen oder innerhalb der nächsten Monate bevorstehen - beworben und eine Absage erhalten. Hierauf machte der Kläger einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG wegen Altersdiskriminierung geltend. Der Kläger wurde sodann zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, welches er jedoch nicht wahrnahm. Die ausgeschriebenen Stellen wurden daraufhin ausschließlich mit weiblichen Bewerbern besetzt, was den Kläger dazu veranlasste, einen weiteren Entschädigungsanspruch wegen einer aufgrund seines Geschlechts erfolgten Diskriminierung geltend zu machen.

Das AG Wiesbaden (v. 20.01.2011 – 5 CA 2491/09) wies die von dem Kläger erhobene Klage mit der Begründung ab, dass eine ggf. vorliegende mittelbare Diskriminierung dadurch gerechtfertigt sei, dass die Beklagte das legitime Ziel verfolge, Bewerber langfristig an ihr Unternehmen zu binden und hierfür möglichst „beruflich unverbildete“ Kandidaten suche. Auch die Berufung des Klägers wurde vom LAG Hessen (v. 16.01.2012 -7 Sa 615/11) mit der im Wesentlichen gleichlautenden Begründung - auch nach Zurückverweisung durch das BAG - zurückgewiesen. Das BAG (v. 18.06.2015 – 8 AZR 848/13) hat das von dem Kläger angestrengte Revisionsverfahren ausgesetzt und den EuGH zur Vorabentscheidung über die Frage ersucht, ob eine Person, die sich nur um den Status eines Bewerbers im Sinne des § 6 Abs. 1 S.2 AGG bewirbt, den Schutz des dem AGG zugrunde liegenden Unionsrechts für sich in Anspruch nehmen kann. Darüber hinaus stellte das BAG die Frage, ob die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen als alleiniges Ziel einer Bewerbung als Rechtsmissbrauch zu bewerten sei.

Der EuGH stellte in seiner Entscheidung klar, dass sich eine Person, die sich auf eine Stelle bewirbt, die sie gar nicht erhalten will, dem Schutzzweck der Richtlinien 2000/78 und 2006/54 nicht unterfällt. Nach ständiger Rechtsprechung dürfe sich niemand in betrügerischer oder rechtsmissbräuchlicher Weise auf die Rechtsvorschriften der Europäischen Union berufen. Es sei insoweit Sache des nationalen Gerichts, gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts festzustellen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens erfüllt sind.


Fundstelle: EuGH v. 28.07.2016 - C-423/15