Beiträge und Entscheidungen/ Haftpflichtrecht
Anforderungen an den Nachweis eines posttraumatischen Belastungssyndroms (OLG Düsseldorf, Urteil v. 02.06.2015)Ist der Geschädigte über das Unfallgeschehen verbittert, jedoch nicht traumatisch erschüttert, liegt kein durch den Unfall hervorgerufenes posttraumatisches Belastungssyndrom vor.
Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner
Steht eine unfallbedingte Primärverletzung
fest, richtet sich die Beurteilung der organischen oder psychischen Folgeschäden
zwar nach dem erleichterten Maßstab des § 287 ZPO, wobei eine Mitursächlichkeit
genügt.
Spricht nach der Beweisaufnahme jedoch die
überwiegende Wahrscheinlichkeit gegen ein posttraumatisches Belastungssyndrom
oder eine depressive Anpassungsstörung oder eine vergleichbare psychische
Beeinträchtigung, bleibt der Kläger beweisfällig für seine Behauptung.
Eine posttraumatische Belastungsstörung nach
ICD-10 F 43.1 setzt eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein
belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit
außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes voraus, die bei
fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.
Es zeichnet sich aus
durch:
1.
ein wiederkehrendes, unwillkürliches Wiedererleben des Traumageschehens
(=Intrusion),
2.
eine gesteigerte Erregbarkeit (=Hyperarousal) und
3.
ein Vermeidungsverhalten
(=Avoidance),
wobei die Intrusionen ("Flashbacks") in der Regel innerhalb von 6
Monaten nach dem Belastungsereignis oder nach dem Ende einer Belastungsperiode
eintreten.
Unbedingt erforderlich ist in jedem Fall eintief verstörendes, existenziell
bedrohliches Erleben während des Unfallsin Abgrenzung zu Gefühlen von Wut und
Kränkung wegen der Erlebnisse nach dem Unfall (Verbitterung). Bei der
Abgrenzung ist darauf zu achten dass das Unfallereignis häufig nur derProjektionspunkt,keinesfalls aber die Ursache der beklagten Beschwerden ist, wobei
ein langes beschwerdefreies Intervall bis zum Zeitpunkt des Beginns
einschlägiger Beschwerden ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt ist, der gegen
einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Schadensereignis und einer psychischen
Störung spricht.
Fundstelle:
OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.06.2015 – I-1 U 135/14 = VersR 2016, 1063