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Beiträge und Entscheidungen/ Haftpflichtrecht

Kein Anscheinsbeweis bei unaufgeklärtem Hergang eines Skiunfalls (OLG Schleswig v. 28.08.2012 - 11 U 10/12)

Soweit es bei einer gemeinschaftlichen Skifahrt zu einer Kollision der Beteiligten kommt und nicht aufgeklärt werden kann, welcher der Beteiligten vorausgefahren ist, besteht kein Anscheinsbeweis zulasten des Gegners des Geschädigten, dass dieser gegen die die Sorgfaltspflichten bestimmenden FIS Regeln für Skifahrer und Snowboarder verstoßen hat.

Ansprechpartner: Dr. Georg Krafft, Partner

Eine Haftung des Beklagten wäre in dem entschiedenen Fall dann in Betracht gekommen, wenn fest gestanden hätte, dass der Beklagte hinter dem vorausfahrenden Kläger fuhr.

Dann wäre ein ein Anscheinsbeweis dahingehend möglich gewesen, dass der Beklagte gegen FIS-Regel Nr. 3  oder gegen Nr. 4 verstoßen hat. Allerdings war der genaue Ablauf des Skiunfalls streitig und ließ sich auch durch eine Beweisaufnahme nicht klären. Insbesondere war eine Feststellung dahingehend, dass der Beklagte dem vorausfahrenden Kläger nachgefolgt wäre, nicht möglich. Allein die Tatsache, dass beide Parteien die Piste gleichzeitig befuhren und dabei einen unterschiedlichen Fahrstil anwandten, lässt eine solche Schlußfolgerung nicht zu. Der Senat führt hierzu Folgendes aus:

"Es gibt vielfältige Möglichkeiten, einen Skihang abzufahren (Abfahrtstil, Carving, Kurzschwünge). Jeder dieser Fahrstile lässt völlig unterschiedliche Geschwindigkeiten zu. Bereits bei Skifahrern, die mit Kurzschwüngen einen Abhang ins Tal hinab fahren, können erheblich unterschiedliche Geschwindigkeiten auftreten, da die Geschwindigkeit davon abhängt, inwieweit der Skiläufer bei jedem einzelnen Schwung durch sein Schwungverhalten die Fahrgeschwindigkeit erhöht oder reduziert. Auch beim sogenannten Carving-Stil ist es möglich die Geschwindigkeit den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten und dem Gelände anzupassen. Vorliegend weicht bereits der Fahrstil der Parteien bei der streitgegenständlichen Abfahrt voneinander ab. Nach Darstellung des Klägers ist dieser mit Kurzschwüngen hinab gefahren, während der Beklagte den Carving-Stil benutzt hat. Nach Auffassung des Senates lassen die Angaben der Parteien, nach den sie mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten den Hang hinab gefahren sind, keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Fahrgeschwindigkeit zur Zeit der Kollision zu. Ebenso wenig kann sicher festgestellt werden, welcher der beiden Skifahrer vorweg gefahren ist und welcher hinterher. Mithin gibt es bereits im Kernsachverhalt keine belastbaren Feststellungen."


Fundstelle: OLG Schleswig v. 28.08.2012 - 11 U 10/12 = BeckRS 2012, 25106