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Beiträge und Entscheidungen/ Haftpflichtrecht

Kein Kausalitätsbeweis durch den behandelnden Arzt (OLG München, Schlussurteil v. 24.01.2014 - 10 U 1673/13)

Das Attest des behandelnden Arztes und dessen Zeugenaussage sind keine geeigneten Beweismittel zur Klärung der Frage nach der Ursache für einen Gesundheitsschaden.

Ansprechpartner: Dr. Götz Tacke, Partner

Der BGH hatte bereits mit Urteil vom 03.06.2008 - VI ZR 235/07 (VersR 2008, 1133 ff.) entschieden, dass der Arzt, der einen Unfallgeschädigten untersucht und behandelt, diesen nicht aus der Sicht eines Gutachters betrachtet, sondern ihn als Therapeut behandelt und für ihn daher die Notwendigkeit einer Therapie im Mittelpunkt steht, während die Benennung der Diagnose als solche für ihn zunächst von untergeordneter Bedeutung ist. Deshalb sind zeitnah nach einem Unfall erstellte ärztliche Atteste für den medizinischen Sachverständigen eher von untergeordneter Bedeutung. Eine ausschlaggebende Bedeutung wird solchen Diagnosen im Allgemeinen jedenfalls nicht beizumessen sein. Im Regelfall wird das Ergebnis einer solchen Untersuchung nur als eines unter mehreren Indizien für den Zustand des Geschädigten nach dem Unfall Berücksichtigung finden können. Eine Vernehmung der behandelnden Ärzte als Zeugen oder sachverständige Zeugen ist zudem entbehrlich, wenn das Ergebnis ihrer Befundung schriftlich niedergelegt, vom Sachverständigen gewürdigt und in die Beweiswürdigung einbezogen worden ist, denn bei der Frage nach einem Zusammenhang der geltend gemachten Beschwerden mit dem Unfallgeschehen kommt es allein auf die Beurteilung durch Sachverständige und nicht auf die Aussagen von Zeugen an.
Das OLG München hatte sich in dem o.g. Schlussurteil eingehend mit dieser Problematik auseinandergesetzt und in Übereinstimmung mit der BGH-Rechtsprechung entschieden, dass die Feststellungen der behandelnden Ärzte zwar eine wichtige Erkenntnisquelle sind, aber alleine nicht zur Klärung der regelmäßig entscheidenden Frage des Kausalzusammenhangs genügen. Bei den Diagnosen der behandelnden Ärzte handelt es sich meist um eine sog. Verdachtsdiagnose und Befund darf nicht mit Befinden verwechselt werden. Aufgabe des behandelnden Arztes ist die Bekämpfung eines bestimmten negativen Befindens und nicht die „Behandlung des Röntgenbildes“. Aus diesem Grund ist auch einem Beweisantrag auf Einvernahme der Ärzte als sachverständige Zeugen in der Regel nicht nachzukommen.
Anmerkung:
Die Aktivseite in einem Haftungsprozess bemüht für die von ihr nachzuweisende Kausalität häufig ein Attest des behandelnden Arztes oder bietet diesen als sachverständigen Zeugen zu diesem Beweisthema an. Völlig zu Recht ist mit diesen Beweismitteln, wenn es um Kausalitätsfragen geht, restriktiv umzugehen. Die Gründe dafür werden in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts München zutreffend dargelegt. Aufgabe des behandelnden Arztes ist die Behandlung des Patienten und nicht die „gerichtsfeste“ Klärung der Ursachen seiner Beschwerden. Zur Klärung derartiger Kausalitätsfragen ist in der Regel ein (medizinischer) Sachverständiger berufen, der den Patienten nicht kennt, ihn nicht behandelt (hat), von ihm nicht bezahlt wird und daher objektiv und unparteiisch die prozessentscheidende Fragen nach dem „warum“ eines bestimmten Gesundheitsschadens beantworten kann.



Fundstelle:

BeckRS 2014, 02552