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Beiträge und Entscheidungen/ Haftpflichtrecht

Schadensberechnung bei Forstpflanzen (BGH vom 04.11.2010)

Der Wildverbissschaden an Forstpflanzen unterliegt der richterlichen Schadenschätzung, wobei mangels anerkannter fester Bewertungsmethoden nicht zu beanstanden ist, dass das Gericht die sogenannten "Kostenwertmethode" zugrunde gelegt hat. Danach entspricht der Wert einer Pflanze oder eines Waldbestands der Summe der zum Bewertungsstichtag aufgezinsten Kosten für Anschaffung, Pflanzung und Pflege.


Ansprechpartner: Dr. Georg Krafft, Partner

Zum Sachverhalt: Der Kläger betreibt Forstwirtschaft auf mehreren Waldgrundstücken. Er nimmt den beklagten Jagdpächter, dem nach dem zwischen ihm und der Streithelferin des Klägers (Jagdgenossenschaft) abgeschlossenen Jagdpachtvertrags die Verpflichtung zum Ersatz von Wildschäden übertragen wurde, wegen Rehwildverbisses an den dortigen Forstpflanzen auf Schadensersatz in Anspruch. Im Vorverfahren vor der Verwaltungsbehörde ermittelte ein Sachverständiger den Gesamtschaden. Auf dieser Grundlage erließ die Gemeinde einen Vorbescheid, den der Beklagte fristgerecht ablehnte. Die Parteien haben in diesem Zusammenhang insbesondere über die Frage der richtigen Methode der Schadensermittlung und die Berechnung einzelner Schadenspositionen gestritten.
In diesem Zusammenhang hat der BGH entschieden, dass für Art und Umfang des gem. § 29 Abs. 1 BJagdG zu leistenden Wildschadensersatzes auf die Regelungen des BGB (§§ 249 ff. BGB) abzustellen ist. Hinsichtlich des Umfangs der Ersatzpflicht werden die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB durch § 31 BJagdG ergänzt, nach dessen Absatz 2 einerseits der voraussichtliche Absatzverlust zum Zeitpunkt der Ernte und andererseits die Möglichkeit zu berücksichtigen ist, ob der Schaden nach den Grundsätzen einer ordentlichen Wirtschaft durch Wiederanbau (Neubepflanzung) ausgeglichen werden kann.
Zwar komme es im Allgemeinen beim Schadensersatz wegen der Beschädigung von Bäumen nicht auf deren (Minder-)Wert, sondern auf die hierdurch herbeigeführte Minderung des Wertes des Grundstücks an, auf dem sie stehen. Denn Bäume werden mit dem Einpflanzen regelmäßig wesentlicher Bestandteil des Grundstücks und können deshalb nicht Gegenstand eigener Rechte sein, so dass ein Baum kein eigenes schädigungsfähiges Rechtsgut darstellt, sondern seine Beschädigung nur als Schädigung des Grundstücks eine Ersatzverpflichtung auslöst. Dies liegt jedoch anders, wenn und soweit Bäume – wie bei der Forstwirtschaft – zur wirtschaftlichen Verwertung bestimmt sind, so insbesondere dann, wenn ihre Anzucht der Entnahme als Verkaufspflanzen oder der Holzproduktion dient. In diesem Falle sind sie nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden, somit bloßer Scheinbestandteil (§ 95 I 1 BGB) und nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks und daher auch möglicher Gegenstand eigener Rechte.
Die Ermittlung des Wertes der von Wildschaden betroffenen Forstpflanzen ist allerdings typischerweise mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Soweit die Bewertung der beschädigten zum Verkauf oder zur Holzproduktion vorgesehenen Bäume von den Gewinnerwartungen der beteiligten Verkehrskreise bezogen auf den häufig noch fernliegenden Zeitpunkt der Ernte abhängt, ist sie mit schwierigen Prognosen über künftige Kosten und Erträge verbunden. Hinzu treten Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Ausmaßes des Wildverbisses und seiner Auswirkungen auf den Wachstumsfortgang nur beschädigter, aber nicht zerstörter Pflanzen. Da es aber für die Bemessung von Wildschäden an Forstpflanzen keine allgemein anerkannte oder herrschende Methode gibt und in der Fachwelt unterschiedliche Bewertungsverfahren vertreten werden, bleibt es Aufgabe des Tatrichters, den Schadensumfang im Rahmen des ihm nach § 287 I ZPO eröffneten weiten Spielraums auf Grund sachverständiger Beratung im jeweiligen Einzelfall zu ermitteln. Welche Methode der Tatrichter zur Schadensberechnung anwendet, steht – mangels entgegenstehender Bestimmungen – in seinem pflichtgemäßen Ermessen.


Fundstelle: BGH, Urteil vom 04.11.2010 - III ZR 45/10 = NJW 2011, 852 ff.