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Beiträge und Entscheidungen/ Haftpflichtrecht

Das Nichttragen eines Fahrradhelms im Straßenverkehr begründet kein Mitverschulden (BGH v. 17.06.2014)

Der BGH hat im Einklang mit der bisherigen herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung (Ausnahme: OLG Schleswig v. 05.06.2013 – 7 U 11/12) entschieden, dass das Radfahren ohne Schutzhelm bei einer sturzbedingten – typischen - Kopfverletzung durch einen Fahrradsturz den Vorwurf des Mitverschuldens eines Radfahrers, der am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt, nicht zu begründen vermag.


Ansprechpartner: Nicole Tassarek-Schröder

Die Klägerin befuhr mit dem Fahrrad ohne Schutzhelm eine öffentliche Straße, als die ihren Pkw am rechten Fahrbahnrand parkende Beklagte unmittelbar vor der sich nähernden Klägerin die Fahrertür des Pkw öffnete. Die Klägerin konnte nicht mehr ausweichen, kam zu Sturz und zog sich schwere Kopfverletzungen zu.

Die Vorinstanz, das OLG Schleswig (v. 05.06.2013 – 7 U 11/12), hatte der Klägerin ein Mitverschulden in Höhe von 20 % mit der Begründung zugerechnet, dass sich das „allgemeine Verkehrsbewusstsein“ in Bezug auf das Tragen von Helmen bei Fahrradfahrern in den letzten Jahren stark gewandelt habe; das Tragen von Fahrradhelmen entspreche deshalb dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein im Jahr 2011.

Der BGH führt in seiner Entscheidung aus, dass ausweislich der Statistiken (Bundesanstalt für Straßenwesen, Forschung kompakt 06/12) im Jahr 2011 nur 11 % der Fahrradfahrer einen Schutzhelm getragen hätten. Außerdem habe der Verordnungsgeber aus verkehrspolitischen Erwägungen bisher davon abgesehen, eine Helmpflicht für Radfahrer einzuführen. Die Einführung einer Helmpflicht werde auch von der derzeitigen Bundesregierung bislang nicht verfolgt. Bei dieser Sachlage sei nicht davon auszugehen, dass das „allgemeine Verkehrsbewusstsein“ im Jahr 2011 das Tragen eines Fahrradhelms umfasst habe, so dass der Klägerin auch kein Mitverschulden gemäß § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB zuzurechnen sei.

Inwiefern in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichttragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen könne, bedurfte im vorliegenden Fall keiner Entscheidung und wurde daher vom BGH offen gelassen.

Anmerkung:

Offen bleibt nach der Entscheidung des BGH leider auch, inwieweit einem Radfahrer das Nichttragen eines Schutzhelms im Wege des Mitverschuldens anzulasten ist, wenn sich der Sturz nach 2011 ereignet hat bzw. noch ereignet.


Fundstelle: BGH v.17.06.2014- VI ZR 281/13 = NJW 2014, 2493