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Beiträge und Entscheidungen/ Haftpflichtrecht

Geltendes Recht bei Skikollisionsfällen / Verhältnis von FIS-Regel Nr. 3 zu FIS-Regeln Nr. 2 und Nr. 5

Bei einem Zusammenstoß zwischen deutschen Skiläufern in Österreich sind deutsches Haftungsrecht und -gewohnheitsrechtlich- die am Unfallort geltenden FIS-Regeln anzuwenden. Danach hat der vorausfahrende Skifahrer uneingeschränkten Vorrang vor dem von oben kommenden Skifahrer (OLG Koblenz, Beschluss vom 2. 3. 2011 - 5 U 1273/10).


Ansprechpartner: Dr. Georg Krafft, Partner

In einem Skigebiet in Österreich wurde der Kläger von dem Beklagten, der sich räumlich hinter und oberhalb des Klägers befand, angefahren und schwer verletzt. Das Landgericht und ihm folgend das Oberlandesgericht haben die volle Haftung des Beklagten dem Grunde nach bejaht.
Aus den Gründen:
....Auf der Grundlage des vom Landgericht gefundenen Beweisergebnisses hatte der Beklagte vor dem Zusammenstoß die FIS - Regel Nr. 3 einzuhalten, da er sich räumlich hinter und oberhalb des Klägers befand. Der von hinten kommende Skifahrer muss seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende Skifahrer nicht gefährdet. Nach der FIS - Regel Nr. 3 genießt der vorausfahrende Skifahrer uneingeschränkten Vorrang. Der hinterherfahrende Skifahrer muss hingegen genügend Abstand einhalten, um dem Vorausfahrenden für alle seine Bewegungen genügend Raum zu lassen. Der von oben kommende Skifahrer hat demnach in vorausschauender Weise mit allen Bewegungen des unten Fahrenden zu rechnen, und zwar auch mit weiten Schwüngen, Schrägfahrten und Bögen mit großen Radien sowie jederzeitigen Richtungswechseln. Der Hinterherfahrende hat sein Verhalten darauf einzustellen und darf nicht darauf vertrauen, der vorausfahrende Skifahrer werde seine kontrollierte Fahrweise in einem bestimmten Pistenbereich beibehalten.
Demgegenüber muss sich der vorausfahrende Skifahrer nicht nach der FIS - Regel Nr. 2 hangwärts nach oben und schon gar nicht nach hinten orientieren, da er dann seinerseits der auch ihm selbst nach der FIS - Regel Nr. 3 obliegenden Pflicht der Rücksichtnahme auf vorausfahrende Skifahrer nicht nachkommen könnte. Ihn trifft nach der FIS - Regel Nr. 2 grundsätzlich nur die Pflicht zur Beachtung der in seinem Gesichtsfeld liegenden Vorgänge.

Zu Recht hat das Landgericht sich daher außerstande gesehen, ein Mitverschulden (§ 254 BGB) des Klägers festzustellen. Er hat auch nicht gegen die FIS - Regel 5 verstoßen, indem er abwärts fahrend die Piste teilweise gequert hat. Eine solche Fahrweise lag im Gegenteil aus der maßgeblichen Sicht des Beklagten nahe, weil alles dafür sprach, dass die Talstation das Fahrtziel des Klägers war. FIS - Regel Nr. 5 gilt nach ihrer gezielt in diese Richtung vorgenommenen Änderung im Jahr 1990 nicht mehr für den Querenden. Durch die Änderung ist vielmehr klargestellt, dass nur noch zwischen stehenden und fahrenden Pistenbenutzern unterschieden werden muss. Bei Fahrenden sind Tempo, Neigungswinkel und mehr oder weniger vollständiges Ausnutzen der Pistenbreite (Schrägfahrten) keine diskutablen Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmale. Wer sich unter Ausnutzung von Hangneigung und Schwerkraft bewegt, der fährt, und unterliegt daher nicht mehr der FIS - Regel 5, sondern genießt gegenüber von hinten oder oben kommenden Skifahrern wieder den uneingeschränkten Vorrang gemäß FIS - Regel 3 (vgl. OLG Hamm in NJW - RR 2001, 1537).
Das OLG weist noch darauf hin, dass zwar deutsches Haftungsrecht gilt (Art. 40II 1 EGBGB – beide Parteien haben ihren Wohnsitz in Deutschland), dessen ungeachtet aber die Verhaltensvorschriften am Unfallort maßgeblich sind (BGH, NJW-RR 1996, 732). Dies sind in den Alpenländern die gewohnheitsrechtlich geltenden FIS-Regeln (OLG Brandenburg, NJW-RR 2006, 1558; OLG Hamm, NJW-RR 2001, 1537).


Fundstelle: BeckRS 2011, 6548